Wer von der kulinarischen Championsleague Deutschlands redet, spricht unweigerlich früher oder später, tendenziell eher früher, über Sven Elverfeld. Wie kaum ein Zweiter ist er ein Koch, der bei all dem Genie um seine Leistungen, welche er auf den Teller bringt, kein Brimborium macht. Dabei hätte er allen Grund dazu. Die Bewertungen sind allesamt am oberen Ende der Fahnenstange angesiedelt. Allen voran die des Guide Michelin, welche ihn nun schon seit zehn Jahren in Folge mit drei Sternen bewerten. Aus diesem Anlass hat man nicht nur die Korken knallen lassen, sondern eine Jubiläumsreihe ins Leben gerufen: AquaX – Das Menü.
AquaX – 3 Michelin Sterne – seit 10 Jahren
Wer die Küche von Sven Elverfeld bereits erleben durfte, weiß, dass er kocht, wie als sei er von einem anderen Stern. Die modern-europäische Art der Speisenbereitung fokussiert im Kern das Herausarbeiten des Eigengeschmacks hochwertigster Zutaten. Auf der Homepage des Restaurants umschreibt man es mit folgenden Worten:
„Die Kreationen selbst verblüffen nicht selten schon allein durch eine gewollt einfache, oft beinahe triviale Namensgebung wie ‚Forelle „Lüneburger Heide“ & Rauch-Brandade‘. Doch spätestens die Interpretation des scheinbar Alltäglichen sorgt für Überraschung. Und der Verzehr für Genuss!“
Ich selbst bin in all den Jahren in denen ich Sven E. kenne, nur ein einziges Mal in den Genuss seiner erlesenen Kochkunst gekommen, obwohl ich bereits des öfteren im aqua eingekehrt bin.
Ein Chili der besonderen Art
So gab es einmal den CookTank der Sternefresser in einer Sonderedition mit ausschließlich süßen Speisen. Der umgestaltete Name hieß folgerichtig SweetTank. Nach der ersten Rutsche an Nachspeisen gab es ein von Sven Elverfeld selbst gekochtes Chili. Es war wie Himmel auf Erden endlich nach all dem „Süßkram“ ein pikant-scharfes Gericht als Lunch serviert zu bekommen. Auch wenn es ein sehr willkommener und delikater Teller gewesen ist, konnte ich mir schon damals vorstellen, dass Sven noch viel komplexere Dinge auf das Porzellan bringen kann, als er es dort mit diesem simplen aber zugleich sehr willkommenen Lunch gezeigt hatte.
Bei meinem zweiten Besuch zum „Gelinaz Chef Shuffle“ hatte ich im aqua erneut keine Gelegenheit, seine Fähigkeiten zu begutachten, da er selbst noch nicht mal im Hause gewesen ist. Stattdessen kochte José Avillez als Gastkoch mit dem aqua-Team groß auf. Im Konzept dieses internationalen Köcheaustauschs war es vorgehen, dass die Chefköche sich in eine fremde Küche begeben und dort vor ungewohnten Publikum ihr Menü kredenzen.
Das war natürlich auch sehr spannend aber leider wieder eine verpasste Gelegenheit, um endlich einmal einen Teller vom Meister selbst kosten zu können.
Doch offensichtlich muss Sven Elverfeld erst eine große Sause feiern, damit ich bei ihm Essen kann. Durch den zehnten Erhalt der Dreisternebewertung hat man sich im Ritz-Carlton dazu entschlossen, solch eine Auszeichnung mit neun weiteren Gastköchen, welche Monat für Monat ins Restaurant für ein Dinner eingeladen werden, zu feiern und mit den Gästen zu teilen.
9 Gastköche und Sven Elverfeld
So wird es in diesem Rahmen an jedem Abend ein 8-Gang-Menü geben. Gastköche wie Jan Hartwig, Andreas Caminada oder Corey Lee haben die Möglichkeit, mit vier Gängen ihre Art des Kochens im Restaurant aqua zu zeigen. Die fehlenden vier Gänge ergänzt Sven mit seinen persönlichen Favoriten der Vergangenheit als auch mit komplett neuen Kreationen.
4-Hands Dinner mit Rasmus Kofoed – aquaX goes Nordic
Beim sogenannten Four-Hands-Dinner der aquaX – Reihe lud man sich keinen Geringeren als Rasmus Kofoed aus dem Restaurant Geranium ein. Er ist ebenfalls mit drei Sternen ausgezeichnet und hat zudem ein weiteres Alleinstellungsmerkmal.
Beim legendären Bocuse d`Or Wettbewerb nahm er dreimal teil und gewann als einziger Kandidat Bronze, Silber und Gold. So etwas hat es bisher noch nicht gegeben. Sven Elverfeld lernte ihn im Rahmen der „World`s 50 best Restaurants“ kennen. Für ihn war recht schnell klar, dass Rasmus unbedingt einer seiner Gastköche werden musste.
Und dieser lies sich nicht lang bitten. Um das spätere Menü dann zusammenzustellen, bat Sven erst Rasmus um seine Auswahl der angebotenen Speisen bevor er schließlich seine Lieblingsgerichte in das Menü integrierte. Das Menü AquaX mit Rasmus Kofoed liest sich wie folgt:
Das Jubiläumsmenü
Aperitif Karamellisierte Kalamataolive (Sven Elverfeld) und
„Razor Clam“ with Minerals & Spur cream (Rasmus Kofoed) Aal & Lauch (SE)
Menü „Betroot Stone“ Scallop & Horseradish (RK)
Bretonische Makrele (SE) Kalbs-Vinaigrette, gezupfte Haxe, Zwiebelmayonnaise & Shiso
„Marbled“ Hake, Caviar & Buttermilk (RK)
Flusszander (SE) Kohl-Dashi Sud, Buchenpilze & Grünkohlpesto
Onion Plants, Smoked Egg Yolk & melted „Vesterhavs“ Cheese (RK)
Rehrücken „Waldorf“ (SE) Apfel, Sellerie, Walnuss, Holuinder & Wildessenz
Champagner Cremesorbet „Edition Ruinart Rosé“ (SE)
„Naked Tree“ Prunkes, Dark Beer & Cream with Beech Wood (RK)
„Süßes Finale“ (SE) „Tea Time“ – Roibusch, Sablés Croûton
Aqua Pralinen
Behind the Scenes
Natürlich gehört bei meinen Restaurantbesuchen immer auch der Blick hinter die Kulissen dazu. Das ist meine USP und mein ganz persönliches Anliegen. Mich interessiert es sehr, welches Handwerk hinter all den großartigen Gängen steckt. Wie komplex zum Beispiel alleine schon die Schritte und Techniken beim Anrichten sind. Jeder der beiden hat hier seine eigene Stilistik und die Unterschiede erkennt man sehr gut. Die Gerichte sind allesamt sehr schön aufeinander abgestimmt. Die Proportionen dabei perfekt, das habe ich bei anderen großen 4-Hands-Dinners bereits anders erlebt. Hier klappt alles.
Insgesamt ist ein sehr großes Team in der Küche. So brachte Rasmus zwei Kollegen mit nach Wolfsburg. Insgesamt zähle ich mit dem aqua Team zusammen ungefähr 15 Köche, die für die ca. 30 Gäste diese acht Gänge zuzüglich deren vorhergehenden Amüsements und abschließenden Nachdesserts mit Pralinen finalisieren und anrichten.
Profis durch und durch
So verschieden die Kochphilosophie der beiden Protagonisten doch ist, gleichen sich die Abläufe beim Anrichten und in der Abwicklung doch sehr. Darum ist es jederzeit möglich, dass die Kollegen untereinander bei den Gerichten helfen. Gerade das Plating der vielen unterschiedlichen Bestandteile, wie die Blüten beim Käsegang von Rasmus zum Beispiel, erfordert eine Menge Handgriffe, die überaus präzise sitzen müssen. Doch die Mädels und Jungs hier sind allesamt top ausgebildete Fachkräfte, denen es ans Herz geht, wenn auch nur ein Teller nicht perfekt den Raum verlässt. Darum wird jederzeit alles gegeben.
Naturverbundenheit
Gerade die Verbundenheit zur Natur, welche Rasmus in seinem Interview vor dem Menü dargestellt hat, kann man sehr gut an der kulinarischen Handschrift erkennen. Die Kieselsteine aus Rote Bete mit einem Kern aus Jakobsmuschel und Meerrettich wirken wie als seien es jüngst aufgelesene Steine, welche mit Kräutern bewachsen sind. Diese Sphäre ist ein im Mund platzender Traum von den erdigen Aromen der Roten Bete, welche wunderbar sich mit der Jakobsmuschel und der angenehmen Schärfe des Meerrettichs vermengen. Bei dieser gezeigten Eleganz würde kein Mensch von molekularer Küche, wie sie einst Ferran Adrià nach vorne gebracht hatte, sprechen. Sie ist aber im Grunde genommen genau das.
Aber auch ein Sven Elverfeld kann höchst kunstvoll seine Speisen arrangieren. Seine Teller erscheinen mir eher abstrakter und orientieren sich nicht so sehr an der Natur. Das müssen sie der auch nicht.
Bretonische Makrele von Sven Elverfeld
Sven richtet zum Beispiel seinen für mich mit besten Gang sehr aufwendig an. So bildet eine Zwiebelmayonnaise den Rahmen für die auf der einen Seite darin eingelassene Kalbs-Vinaigrette mit Röstzwiebel und auf der anderen Seite mit Austernöl. an diesem geschwungenen Strich der Mayonnaise arrangiert er eine elegante Kette aus Arare Perlen, setzt zudem einen Kalbshaxensalat dazu auf dem ein ausgebackenes Shisoblatt das Podium für die gebratene Makrele ist. Jede Gabel dieses Tellers ist eine Offenbarung und veranschaulicht sehr gut die Art, wie Sven Gerichte sieht.
Eine Hommage an den Salat Waldorf
In einem Menü mit derart vielen Gängen setzt sich der Koch überlicherweise stets das Ziel, dass der Hauptgang rein spannungstechnisch der absolute Höhepunkt sein soll. Man baut die Gerichte in der Staffelung so auf. So wird es einem in der Kochschule beigebracht. Das ist hier in einem solchen Ensemble mit wie der besten Köche der Welt recht schwer getan, wie ich finde.
Jedes Gericht hat seine eigene Einzigartigkeit auf das Porzellan gebracht, ganz gleich ob es Klassiker sind, die man vielleicht schon einmal gesehen oder gar gekostet hat. In der Hülle und Fülle kann man Sven Elverfeld für seinen Hauptgang „Rehrücken Waldorf“ mit Apfel, Sellerie, Walnuss, Holunder und einer kräftigen Wildessenz nur danken. Doch es fällt mir sehr schwer, zwischen all den fantastischen Speisen einen Favoriten auszumachen.
Ein rundum perfektes Menü
Auf der einen Seite fasziniert Rasmus Kofoed mit seiner Art des Kochens, welche sich durch eine sehr leichte und gut ausbalanciertes Spiel zwischen Süße und Säure und vor allen Dingen Frische auszeichnet. Sven Elverfeld setzt bei seinem Ziel bewusst auf perfekte Garpunkte, eine internationalere Art des Kochens unter Einsatz von regionalen Produkten, reglementiert sich dabei aber nicht ganz so arg wie Rasmus und nutzt dafür ebenso die besten Produkte, die zum Teil nur importiert zu haben sind.
Herausgekommen ist mit dem aquaX – Menü ein sehr gelungener Abend, der absolut perfekt zum Anlass passt. Bei dieser Leistung gerade auch von Sven Elverfeld, muss man sich keine Sorgen darüber machen, ob denn die zweite Dekade mit der Höchstbewertung im Guide Michelin auch erreicht werden kann.