Seit bereits zehn Jahren ist das Restaurant Aqua in Wolfsburg eine kulinarische Instanz mit der Höchstbewertung im Guide Michelin. Eines der besten Gourmet-Mekkas in Deutschland hat seinen Sitz in der riesigen Autostadt von Volkswagen. In diesen Monaten zelebriert Sven Elverfeld und sein Team dieses besondere Jubiläum und lädt sich dazu ganz besondere Gastköche ein. Bei meinem Besuch war es Rasmus Kofoed, dem ich neben Sven Elverfeld vor dem Menü ein paar Fragen stellen durfte.
Internationale Kochfreunde von Rang
Das Lineup der geladenen Köche liest sich wie das Who is Who der Kochszene. Mit Jan Hartwig, seinem langjährigen Sous Chef und nun ebenso 3-Sterne Koch von Welt, konnte man bereits Mitte März die Ouvertüre zu diesem Spektakel erleben. Insgesamt acht Gänge werden hier aufgefahren. Das sogenannte 4-Hands Dinner ist ein Konzept, bei dem zwei große Chefköche zusammen für ein kulinarisches Erlebnis sorgen, welches im Idealfall lange in Erinnerung bleiben wird. Nach Jan Hartwig, folgen Monat für Monat weitere großartige Namen und sorgen für eine ganz besondere „Aqua-Experience“. Die übrigen geladenen Herdkünstler sind:
Das Lineup
- Rasmus Kofoed • Restaurant Geranium (16.04.2018)
- Gert de Mengeleer • Restaurant Hertog Jan (18.05.2018)
- Niko Romito • Restaurant Reale (29.05.2018)
- Jonnie Boer • Restaurant De Librije (4.06.2018)
- Paolo Casagrande • Restaurant Lasarte (26.06.2018)
- Andreas Caminada • Restaurant Schauenstein (25.07.2018)
- Norbert Niederkofler • Restaurant St. Hubertus (18.10.2018)
- Corey Lee • Restaurant Benu (11.01.2019)
Bei meinem Besuch vor einigen Tagen war es eben Rasmus Kofoed aus Kopenhagen, welcher einer der berühmtesten Vertreter der nordischen Küche ist. Er hat ein sehr besonderes Alleinstellungsmerkmal. Er gewann bei seinen Teilnahmen am sagenumwobenen Turnier namens „Bocuse d`Or“ je einmal Bronze, Silber und zuletzt auch Gold. Sowas hat es bisher noch nicht gegeben. In seinem Restaurant „Geranium“ spielt er groß auf. Er ist ebenfalls mit drei Sternen ausgezeichnet und hat für den heutigen Abend Spitzengänge vorberietet. Vorab ging es jedoch ins persönliche Gespräch mit ihm und Sven Elverfeld als Gastgeber.
Rasmus Kofoed und Sven Elverfeld im Interview
Steffen:“Ist es wichtig, dass man eine spezielle Verbindung zur Natur benötigt, um großartige Signature Dishes zu kreieren?“
Rasmus:“Es ist wichtig, Inspiration zu erhalten und zu wissen, wo man sie finden kann. Ich finde sie in Kindheitserinnerungen, im modernen Leben, im Wechsel der Jahreszeiten. Dort erhalte ich hauptsächlich meine Inspirationen. Inspirationen nähren die Kreativität und lassen einen neue Gänge schaffen. So denke ich darüber.
Ich bin auf dem Land groß geworden und die Natur spielt für mich eine große Rolle. Ich bin mit einer vegetarischen Mutter aufgewachsen. Sie benutzte Kräuter aus dem Wald. Wir haben Wacholder aus dem Garten für das Räuchern von Aal oder andere Fischsorten genutzt.
Natur spielt eine wichtige Rolle, denke ich. Es ist ein Ort, wo ich ganz sicher Inspiration finden kann und außerdem mag ich es, dort zu sein. Dort finde ich Frieden.
Wenn Du das Restaurant betrittst, kann es sehr hektisch sein, die Erwartungshaltung kann starken Druck ausüben, so dass man immer über die eigenen Grenzen hinaus belastet ist. Für mich ist es schön, mit meiner Familie und den Kindern hinauszubegeben. Wir leben auf dem Land nahe der Küste und dem Wasser. Seetang am Strand kann auch sehr inspirierend sein.“
Steffen:“Wann hast Du denn Zeit, in die Natur hinaus zu gehen?“
Rasmus:“Es ist für mich genauso wichtig, wie es mir wichtig ist, im Restaurant zu sein. Es liegt so bei 50:50. Wenn ich keine Inspiration erhalte, dann könnten nicht all die neuen Ideen entstehen. Für mich muss das Restaurant lebendig sein, das ist der Grund, weshalb wir immer ein bisschen ändern. Es kann sein, dass die Blüten erzählen, welche Saison gerade herrscht. Es kann sein, dass wir etwas in der Inspirationsküche ändern, wo wir auch größere Gruppen haben. Wir haben dort einen wundervollen Raum. Dort gibt es Weinverkostungen. Dort gibt es Tische für Gesellschaften mit mehr als sechs Personen. Wir geben denen dort einen mehr privaten und exklusiven Rahmen.
Wir schließen von Sonntag bis Dienstag. Und das ist sehr wichtig. Ich sehe viele Restaurants, die es uns gleichtun. Wenn Du Familie haben möchtest, musst Du eine Balance finden, ansonsten wird man ein Wochenendvater, wie viele meiner Kollegen. Ich möchte das nicht sein. Ich möchte mit meiner Familie sein und ebenso im Restaurant. So bin ich bei meiner Familie, wenn wir geschlossen haben.“
Steffen:“Ziehst Du Deine Inspirationen vorwiegend aus der Natur oder gibt es da noch andere Quellen?“
Es kann Architektur sein, es können so viele Dinge sein. Man muss Dinge unterschiedlich betrachten. Manche Dinge, die wir tun, sind aus Fehlern entstanden. Wir haben vor acht Jahren das Restaurant eröffnet. Wir entwickelten knusprige Karottenschalen. Ich stellte mir vor, dass wir eine junge kleine Karotte mit einer Meringue aus Sanddorn und Karotte herstellen. Diese süß-saure Kombination, wo der Sanddorn die Säure und die Karotte das Süße mitbringt. Also arbeitete ich an dieser Meringue, und es ging richtig schief. Ich gab alles in den Blender und mixte es und es sah wirklich schrecklich aus. Ich war kurz davor es wegzuwerfen. Doch für den Bocuse d`Or übte ich an einer Technik mit Sphären und ich füllte die Masse in die dafür vorgesehen Formen und gab sie in den Holdomaten. Und am nächsten Tag kam ich komplett ohne Erwartungen und entdeckte diese wunderschönen Karottendiamanten. Daraus wurde später ein Signature Snack. Manchmal muss man dieses „Out of the Box“- Denken pflegen.
Ein anderes Beispiel. Wir haben eine wunderbare Bio-Forelle. Wir hingen sie auf. Wir wollten eine getrocknete Forelle ausprobieren und vergaßen sie letztendlich für einen ganzen Monat. Und sie war komplett ausgetrocknet. Und wieder probierten wir aus, wofür wir es nutzen konnten. So gaben wir sie in eine Küchenmaschine bis wir eine Art Baumwolltextur erhielten. Es ergab eine starkes aber angenehmes Fischaroma und die Textur ist so einzigartig.
Manchmal müssen wir andere Wege gehen. Es ist ebenso der Versuch, nicht nur die Karotte vor Dir zu sehen, sondern auch, was herauszufinden, was alles dahinter stecken kann.“
„Rasmus ist ein Held für ihn.“
Steffen:“Und was ist Deine Verbindung zu Rasmus, Sven? Warum hast Du ihn eingeladen?“
Sven:“Wir kennen uns seit einiger Zeit. Als er zu den 50 besten Restaurants gehörte, trafen wir uns einige Male. Mein Junior Sous Chef war auch beim Bocuse d`Or und wir unterhielten uns viel über ihn, weil er der einzige ist, der Bronze, Silber und Gold abgeräumt hat. Rasmus ist ein Held für ihn.
Es hat aber auch immer etwas damit zu tun, dass wenn ich einem Menschen begegne, und diesen von der Persönlichkeit und der Philosophie bereits mag und er dabei bodenständig ist, dann kommt das bei mir schon sehr gut an. Ich schrieb ihm über Instagram und ich wünschte mir von Beginn an, dass dieser Koch zu unserem Jubiläum kocht, und letztendlich sagte er glücklicherweise zu.“
Steffen:“Wie habt ihr das Menü für heute Abend, bei dem ihr das zehnjährige Bestehen der 3-Sterne des Restaurant Aqua im Guide Michelin zelebriert, zusammengestellt?“
Sven:“Ich habe Rasmus zuerst darum gebeten, mir zu schreiben, was er gerne kochen möchte. Danach habe ich meine Gänge zusammengestellt und dabei darauf geachtet, dass wir keine selben Produkte nutzen. Ich habe dabei einige Signature Dishes auf das Menü gesetzt. So gibt es zum Beispiel ein Reh, welches wir letztes Jahr geschickt haben, und da in diesen Tagen auch die Jagdsaison wieder begonnen hatte, wollten wir schon aus diesem Grund den Gang anbieten.
Steffen:“Also beinhaltet dieses Menü ein „Best of Signatures“?
Sven:“Nein, wir haben einige neue Gerichte und wie bereits erwähnt einige bekannte Gänge. Wir suchten die Gerichte nach Saisonalität und Dramaturgie aus.“
Steffen:“Wonach hast Du Deine Gerichte ausgesucht?“
Rasmus:“Ich denke, dass was wir in das Menü einbringen, soll unsere Art zu Kochen repräsentieren, um dem Gast zu zeigen, womit wir in Kopenhagen arbeiten. So gibt es Signature Dishes und ein Gericht, welches sehr von der Saison inspiriert ist. Es beinhaltet Zutaten Dänemarks, welche wir gerade vor zwei Tagen bei uns gefunden haben. Wie zum Beispiel der Bärlauch oder andere wilde Pflanzen und Kräuter. Bei unseren Gerichten geht es darum, zu erzählen, was man alles bei uns, wenn man in die Natur geht, finden kann. Sie verändert sich fortwährend. So gibt uns der Käsegang diese Möglichkeit, diese Natur zu zeigen. Er besteht aus geräuchertem Ei, gepickelten Zwiebeln und „Vesterhavs“ Käse. Auf diese Komponenten haben wir diese wilden Pflanzen angerichtet. Und sie erzählen ihre eigene Geschichte, was gerade im Wald passiert. Das ist ein neues Gericht. Wir haben aber auch bekannte Gerichte auf dem Menü.“
Steffen:“Rasmus, wenn Du über die Art des Kochens nachdenkst, was hat sich in den letzten zehn Jahren verändert?“
Rasmus:“In Dänemark hat sich vieles verändert. Die dänischen Köche sind ziemlich bestrebt, zu zeigen, was dänische Küche ist. Früher war es eine sehr traditionsreiche Küche. Es war eine sehr schwere Kost mit viel Proteinen und vor allen Dingen Fleisch. Das, was wir gerade tun, ist viel leichter und viel mehr mit Dingen aus der Natur angereichert. Wir haben keine kulinarische Geschichte wie Frankreich oder Italien, darum ist es leichter für uns, das zu tun, was wir wollen. In Italien hatte ein berühmter Koch grüne Tomaten auf eine Pizza gelegt. Sie wollten ihn sinnbildlich dafür umbringen. Sie wollten ihm den Stern wegnehmen und verklagen. Wir haben solche Probleme mit der Akzeptanz nicht in Dänemark. Wir waren nicht berühmt für Essen. Aber das startete vor zehn Jahren. Wir sind stolz darauf dabei ein Teil zu sein, und wir tun das mit Wissen und Respekt für die ältere Generation aber mit vielen jungen Köchen mit der Energie, Dinge zu verändern.“
Sven:“Speziell in Deutschland waren wir vor ca. 20 bis 25 Jahren noch sehr französisch orientiert, was das Kochen anging. Das war damals normal und zu Zeiten, wo es für Chefs wie Eckart Witzigmann oder Dieter Müller, denen das so in Frankreich beigebracht wurde, normal war, diese Art des Kochens hier in Deutschland so zu adaptieren, selbst unter dem Einsatz deutscher Produkte. Ich denke aber, das die folgende Generation angefangen hat, sich davon zu lösen. Und dabei ebenso zurück geschaut wurde, wie es um das Kochen stand, wo es zum Beispiel noch keinen Kühlschrank gab und Lebensmittel eingelegt und haltbar gemacht wurden. Diese Techniken kommen nun zurück. Wir sind auch in einer Phase, wo wir vorwiegend deutsche Produkte benutzen, nicht immer aber meistens. So kann es zum Beispiel Gerichte, die von einer ganz bestimmten Region stammen, geben. Mit den heutigen Möglichkeiten kannst Du im Prinzip alles ordern, weltweit. Doch das ist für mich zu einfach. Ich bin in engen Kontakt zu unserem Jäger oder regionalen Anbauern. Vor kurzem war eine alte Lady hier mit vier, fünf verschiedenen Kartoffelsorten, die es auf dem Markt überhaupt nicht mehr gibt. Aber sie hat sie noch, so muss ich immer einen guten Draht zu diesen Händlern haben. Das Produkt ist für mich immer die hauptsächliche Inspirationsquelle für eine neues Gericht. Die Kombination von zwei, drei Produkten, die von unterschiedlichen Anbauern erhältlich sind.“
Steffen:“Was gebt ihr heranwachsenden Köchen heute mit auf den Weg. Was ist wichtig?“
Rasmus:“Ich denke, es ist wichtig zu wissen, dass es nicht leicht ist. Man muss für den Erfolg arbeiten. Ich sehe viele etablierte Köche auf Symposien, welche alle sagen, dass man sich einen extra Tag frei vom Restaurant nehmen soll, um zum Beispiel ein Teamworkout zu starten. Als ich das Restaurant eröffnete, hatte ich überhaupt nicht die Zeit dafür noch fand ich es ökonomisch. Und wenn man eben kein Geld für den Restaurantbetrieb hat, wird man es schließen müssen. Und um das umzusetzen, muss man eben auch extra Köche einstellen. So leicht ist es eben nicht. Man muss wirklich sehr hart arbeiten und dann wird es auch zu einem kommen. Wichtig ist dabei Leidenschaft und Respekt. Schau Dich um, was in der Welt passiert, um zu erfahren, was Dich am besten inspirieren kann, um Deine Philosophie zu zeigen.“
„Die Zeiten haben sich stark geändert“
Sven:“Die Zeiten haben sich stark geändert. Als ich begann gab es Lunch und Dinner. Ich als Küchenchef gebe meinen Mitarbeitern die Möglichkeit zu wachsen. Ich baue sie auf. Es ist aber wichtig dabei, dass man weiß, dass man sich selbst nach vorne pushen muss. Es liegt schließlich in den eigenen Händen, was aus einem wird. Ich habe Mitarbeiter, die arbeiten hier für drei oder vier Jahre, einige sogar mehr. Sie wechseln dabei die Posten. Wenn jemand gut ist und er möchte den Posten wechseln, dann machen wir das auch, um den Teamzusammenhalt zu stärken. Und sollte jemals ein Koch ausfallen, was so gut wie nie passiert, dann kann ein zweiter ganz einfach übernehmen.
Aber ich denke, die Veränderung ist, dass mit all den Köchen im Fernsehen, ein falsches Bild vom Beruf des Kochs entsteht. Wenn man einen Neunjährigen fragt, was er werden will, dann kann es sogar sein, dass der sagt, er möchte TV-Koch werden. Aber es ist ein Beruf voller Aufgabe. Man arbeitet am Wochenende, am Abend, Du verlierst Deine Freunde. Und das sollte jeder vorher wissen. Und die größte Veränderung ist eben auch die Wahrnehmung. Als ich jung war, investierte ich mein Geld, um zu Michel Bras zu fahren. Ich musste in einer Tankstelle übernachten, da ich mir nicht mehr leisten konnte, um dort zu essen. Und das musst damals aufgebracht werden, um solche Gerichte zu sehen und zu schmecken. Heute ist alles auf Instagram, und jeder schaut und lobt die Bilder. Aber keiner interessiert sich mehr für den Geschmack. Es geht nur noch um das Anrichten und nicht mehr um den Gedanken dahinter, warum zum Beispiel die Produkte zusammen angerichtet sind. Für mich geht es zuerst darum, wie ich zum Beispiel Süße und Säure miteinander auf einem Teller mit anderen Aromen kombiniere und ganz am Ende geht es um das Anrichten oder die Optik. Und dieser Schwerpunkt hat sich meiner Meinung nach stark gewandelt bzw. verschoben.“
Steffen:“Vielen Dank Rasmus und Sven für das Interview und ich freue mich schon sehr auf das spätere Menü.“
Was für eine Ehre, diese beiden genialen Köche interviewen zu können. Tolle Fragen und Antworten, die Einblick geben in die Mentalität der Spitzenküche.
Besonders gut hat mir die Antwort auf die Frage „Ziehst Du Deine Inspirationen vorwiegend aus der Natur oder gibt es da noch andere Quellen?” gefallen.
Oft sind gute Ergebnisse tatsächlich aus Zufall entstanden, allerdings wurde davor ein Rahmen geschaffen, der den Zufall ermöglicht. Ein schönes Konzept, das sich auf viele Dinge im Leben übertragen lässt.
Lieber Steffen,
vielen Dank für dieses Interview. Inspirierend und aussagekräftig geben die Köche den Wandel in der Kulinarik und auch im täglichen Leben wieder.
Ich hoffe das Menü und unser Hotel haben dir gefallen und du beehrst uns bald wieder.
Herzliche Grüße
D. Linh Ha
e-Commerce and Marketing
The Ritz-Carlton, Wolfsburg