Jedes Jahr um diese Zeit, erscheinen auf den letzten Drücker noch hochkarätige Meisterwerke in den Kochbuchregalen. Daher habe ich Anfang Dezember immer recht viele Werke auflaufen, welche unmittelbar besprochen gehören. So ist es auch bei dem neuen vierten Teil der Reihe “Die Weltköche zu Gast im Ikarus – Band 4”. Die Küche in der Martin Klein der Executive Chef ist, hat wieder ein Jahr voll und zeigt nun im frisch herausgegebenen Kochbuch, welche Starköche dort im vergangenen Jahr zu Gast waren. Ein Buch der Extraklasse.
Die Weltköche zu Gast im Ikarus – Band 4
Das vergangene Jahr war wirklich eines der besten Jahre, welches das Restaurant Ikarus im Hangar-7 je erreicht hatte. Dort war die weltbeste Köchin zu Gast, der zweite Stern im Guide Michelin wurde erreicht und Eckart Witzigmann feierte seinen 75. Geburtstag mit großartigen befreundeten Köchen. 2017 ging dennoch nicht weniger spektakulär los.
Mit Paul Bocuse konnte man einen ganzen Monat lang den 90. Geburtstag feiern und ebenso wurde der zweite Stern verteidigt. Martin Klein beschreibt in seinem Vorwort viele weitere Höhepunkte des vergangenen Jahres und leitet so in den Werdegang der vielen unterschiedlichen Menüs des aktuellen Bands ein. In dieser Edition gab es dieses mal sogar zwei Küchenchefs aus Deutschland. Christian Bau und Thomas Bühner, beides 3-Sterneköche, erwiesen ihm die Ehre. Das komplette Line-up 2017 sieht wie folgt aus:
Die Gastköche
- Christian Bau • Victors Fine Dining by Christian Bau
- Søren Selin • AOC Best of Wien mit Silvio Nickol, Paul Ivic, Markus Mraz, Heinz Reitbauer
- José Avillez • Belcanto
- Isaac McHale • The Clove Club
- Thomas Bühner • La Die
- Daniel Boulud • Daniel
- Ikarus Team • Restaurant Ikarus
- Jorge Vallejo • Quintonil
- Nicolai Nørregaard • Nadeau
- Christophe Muller • Paul Bocuse dAuberge du Pont de Colleges
- Manish Mehrotra • Indian Accent
Gleiches Konzept – nur jetzt viel individueller
Das Konzept hat sich nicht geändert. Nach wie vor beraten sich Martin Klein und Eckart Witzigmann vorab darüber, welche Größen der Gastronomie von Interesse sein könnten. Natürlich heißt das noch lange nicht, dass diese auch die Zeit und Lust aufbringen werden, nur weil diese beiden Herren an die Türe klopfen. Doch gleicht die Möglichkeit, sich an diesem Ort, in der Küche des Hangar-7 zu verewigen, doch irgendwie auch einem Ritterschlag, wenn man bedenkt, welche Meisterköche hier schon eingekehrt sind. Nach wie vor bin ich der Meinung, ist dies einer der besten Arbeitsplätze, welche ein Koch überhaupt haben kann. Ein knappes Dutzend an unterschiedlichen Kochphilosophien wird hier in einem Jahr von den Mitarbeitern dargestellt. Das ist einzigartig und vor allen Dingen unheimlich inspirierend.
Martin Klein auf Exkursion
Jeder Küchenchef, welchen man für dieses Konzept gewinnen konnte, wird vorab vom Executive Chef M. Klein besucht. Im ursprünglichen Restaurant vollzieht er quasi ein Mini-Praktikum, um die Herkunft und Herangehensweise des Küchenchefs und eben auch des späteren Menüs besser verstehen zu können. Die Entfernung spielt dabei keine Rolle. Ist diese Stippvisite vollzogen beginnt der rege Austausch der Rezepte und die logistische Herausforderung, alle kommunizierten Zutaten für das importierte Menü, welches stets einen Monat angeboten wird, muss umgesetzt werden.
Die ersten zwei Tage des sogenannten “Schickens” ist der jeweilige Gastkoch immer anwesend, bevor er dann dem Team die Verantwortung überlässt und die Mädels und Jungs das Menü alleine weiter anbieten. Für höchste Qualitätsansprüche ist immer gesorgt. Das Ikarus Team ist ein sehr erfahrenes mit Mitarbeitern, welche schon eine sehr lange Zeit, dieses Unternehmen begleiten.
Unterschiedlicher könnten die Menüs kaum sein
Der große Vorteil an diesem Konzept, ist die hohe Bandbreite der Speisenbereitung. Man kauft hier kein Buch über diese oder jene Art des Kochens. Hier bekommt man eine enorm umfangreiche Art der Zubereitung von Essen geboten. Die kann zum einen sehr klassisch anmuten und zum anderen ihre Herkunft in der indischen Küche verwurzelt haben. Wer Christian Bau zum Beispiel kennt, wird seine Teller vermutlich sofort im Buch ausfindig machen können. Er hat einen starken Hang zur japanischen Küche.
Er ist dabei stets sehr pedantisch, detailverliebt und scheut keinen Aufwand. Seine Teller haben gerne auch mal mehr als zwanzig Handgriffe. Die Reduktion auf das Notwendigste sieht sicherlich anders aus aber sein Markenzeichen ist eben die aufwändige und komplexe Küche, welche mit unterschiedlichsten, modernen Techniken umgesetzt wird. Da ist kaum ein Gang ohne Weiteres zum Nachmachen am heimischen Herd geeignet. Dennoch schafft diese Küche ebenso viel Inspiration, wie es zum Beispiel die sehr reduzierte Art der Arbeitsweise von Søren Selin vermag.
Dänische Kochkunst aus Kopenhagen von Søren Selin
Selin belässt es bei einem eher puristischem Stil. Auf dem Teller sind selten mehr als 5 oder sechs verschiedene Komponenten zu sehen. Die Produkte sind dennoch gerne aus Frankreich importierte Luxusartikel wie Hummer, Kaviar oder auch Jakobsmuschel. Dennoch zeigt er sie mit einem Faible zur Nordic Cuisine. Man erkennt das zum Beispiel sehr gut bei “Wachtel, Mark, Apfel, Sauerklee”, wo er die glasierten Wachteln zusammen mit geräuchertem Rindermark, einem Salat von Apfel und Rindermark und Schnittlauch auf d as Porzellan bringt. Ebenso arbeitet er gerne mit Blüten wie beim “Kürbis, Petersilie, Sanddorn”- Gang.
Klassisch französisch
Richtig klassisch und frankophil geht es bei dem Küchenchef von Paul Bocuse zu. Christophe Muller pflegt die große Tradition seines Meisters mit Speisen wie der Trüffel-Consommé unter der Blätterteighaube. Diese Suppe wurde eigens für den damaligen Staatspräsidenten Valery- Giscard d`Estaing erfunden. Vor 40 Jahren ist dies geschehen, und Martin Klein eröffnet ausführlich im Vorwort die Geschichte zu dieser Suppe:
“Die Suppe vereint alles, was zu einem perfekten Gericht gehört. Da ist die gute Geschichte über ihre Erfindung und die Inszenierung, wenn der Service die mit Blätterteig versiegelte Suppenterrine konzentriert mit eiligen Schritten an den Tisch bringt. Den Blätterteig zu öffnen, ist wird er Bruch eines altertümlichen Siegels. Ein konzentrierter Duft von schwarzem Périgord-Trüffeln und den Aromen einer kraftvollen Rinderbrühe steigt empor und erzeugt ein tiefes Gefühl von Harmonie und Zufriedenheit – ein Höhepunkt für jeden, der diesen Moment erleben darf.”
Großartige Fotografie von Helge Kirchberger
Jede Speise ist großartig inszeniert und sehr gut aufs Papier gebracht worden. Für die Fotografie zeichnet sich Helge Kirchberger wieder verantwortlich. Je nach Herdkünstler setzt er die Teller immer passend in Szene, ohne dabei den Bogen zu überspannen. Die Darstellung ist dabei immer auf den Punkt, präzise, die Farben knackig und die Abbildung scharf. Als Autor der Erzählungen und Texte hat man wieder Hans Gerlach hinzugezogen. Eine gute Entscheidung. Das Buch liest sich sehr angenehm, die Erzählungen lassen einen sehr gut in das Geschehen eintauchen.
Fazit
Das Buch ist wieder einmal ein absoluter Knaller. Für den unschlagbaren Preis von lediglich 49,95 Euro kann man hier nichts falsch machen. Man erhält 12 großartige umfangreiche Menüs mit Rezepten und tollen Fotos samt Hintergrundreportage und so einigen Anekdoten über dieses oder jenes Gericht. Eine wunderbare Momentaufnahme, die zeigt, wie schön Fine Dining dargestellt werden kann. Für jeden Koch ein Muss, für den ambitionierten Heimkoch ebenso empfehlenswert. Das perfekte Weihnachtsgeschenk für den Kochbuchliebhaber.