Der dritte und letzte Teil der Berlin Chef Stories im Lorenz Adlon Esszimmer gibt es hier heute zu lesen. Mit den ersten beiden Teilen über das Interieur, den Service und natürlich den ersten Gängen von Hendrik Otto wurde bereits vieles über dieses geschichtsträchtige Hotel Adlon erzählt. Obendrein gab es auch noch mit dem „Free Wallpaper November“ einen großartigen Zwischengang mit Pulpo und Aubergine hoch aufgelöst auf Eure Bildschirme. Heute schließt sich mit den letzten Gerichten der Kreis.
Chronik eines Services im Lorenz Adlon Esszimmer
21:45 Uhr: Reh / Pfeffersauce • geschmorte Zwiebel nach Löberitzer Bäcker Art, Pumpernickel, gedörrte Beeren, eingelegte Trauben, Holunder, Miere
Das Reh ist für sich genommen wohl eine kleine Hommage an den Ort, wo Hendrik Otto aufgewachsen ist. Löberitz ist eine kleine Ortschaft in Sachsen-Anhalt, wo er zur Schule ging. Was genau diese Art der Zubereitung auf sich Art, werde ich im Einzelgespräch mit ihm noch in Erfahrung bringen. Vielleicht stelle ich Euch diesen Gang ja demnächst als einen Teil in der Reihe „Signature Dish“ vor, wer weiß.
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Der Rehrücken wird mit der Löberitzer Bäckerzwiebel kredenzt. Diese ist im Ganzen geschmort. Der Kern wird herausgenommen und mit Lardo zu einer Speck-Zwiebelcreme verarbeitet. Anschließend wird sie wieder in die Zwiebel gefüllt und zudem mit Spitzkohl eingeschlagen.
Holunder-Speckaromen beinhaltet das klare Gel in drei Punkten und auf dem Rehrücken befindet sich eine Mixtur aus Rote Bete, gedörrten Beeren, Champignons imd Kresse. Erneut hat man das Gefühl, man gehe ins Licht, kostet man die angerichtete Sauce. Die Saucen sind wahrlich Hendriks Stärke. Das merkt man immer wieder.
Knusprig, cremig, aromatisch
Separat genieße ich zu diesem Teller die wohl leichtesten und knusprigsten Käsespätzle meines Lebens. Ohne zu übertreiben kann ich das sagen. Mir ist noch nie ein derart banales Gericht so überirdisch zubereitet serviert worden. Die extreme Fluffigkeit entsteht durch den hier zuletzt untergehobenen Quark. In vielfacher Hinsicht bin ich nach diesem Tag wohl für so einige zukünftige Geschmackserlebnisse verdorben.
Verdorben für so Einiges
Natürlich sei das für meine Begriffe sehr milde Rotweineis noch erwähnt. Bei den vielen Höhepunkten zu diesem Hauptgang, muss man aufpassen, dass nicht etwas übersehen wird. Da hat es jede Komponente einzeln für sich sehr schwer.
Betrachtet man die sich verändernde Gastrobranche gerade mit Blick auf die Industrialisierung, muss bei all der Automatisierung in den verschiedenen Bereichen sich Hendrik Otto wohl nie Gedanken um seinen Job machen. Sein Können ist ganz sicher nicht durch ein Algorithmus auszutauschen.
22:01 Uhr: Eine Idee von Käse
Die Hauptgänge sind durch, es folgt eine Umstellung auf die Käse- & Dessertgänge. Ein „Vorkäse en Miniature als „Babybel-Immitat“ schafft dafür die Basis. Eine fränkische Frischkäsecreme kommt statt in einer Hülle aus Wachs in einem Mantel aus Kürbissuppe. Will heißen, dieser Käse muss nicht erst geschält sondern kann sogleich im Ganzen genossen werden.
22:10 Uhr: Backkartoffel / geschmolzener Camembert • Bittersalat, Schnittlauch
Die knusprige Kartoffelschale ist getrocknet und frittiert und bildet die Hülle für die lauwarme Camembertcrème auf Bechamelbasis. Zusammen mit den Bittersalaten, Kartoffelstampf und Trüffelvinaigrette bildet dieser Käsegang wieder einen Genuss zum Augenschließen. Da sind einfache Zutaten mit einer sehr ideenreichen Darbietung zu einem stimmigen Gesamtkonzept zusammengefügt.
22:19 Uhr: Vordessert: Champagnerparfait
Wir kommen zu den beiden Desserts, welche nun das Grand Final abgeben. Doch nicht ohne ein geschmackliches Vordessert vorab gereicht zu haben. Das in der Krug-Kiste präsentierte Eis am Stiel in Magnum-Manier kommt auch ebenso in einer Hülle, hier in einer knusprigen Schokoladenhülle, und gibt den Einstieg in die süße Welt. Ich bin nun bestens vorbereitet.
22:25 Uhr: Gefrorene Gin Tonic Luft / Wacholder • geräucherte Zartbitterschokolade, Exotik, Bergamotte
Das Dessert bildet in jedem Menü immer auch die große Herausforderung, dem Gast noch einmal auf andere Art und Weise zu begegnen. An diesem Punkt ist man zumeist schon gesättigt und daher muss das Dessert schon rein optisch viel mehr überzeugen als eine Vorspeise oder Hauptgang. Hier versucht man sich an einem Gin Tonic in gefrorener Version.
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Zum einen gibt es eine Gin Tonic Luft, neben einem marmorierten Eis von Exotik und grünem Tee mit getrocknetem Korianderpapier. Der Salat von Mango und geräucherte Schokolade geben ein wenig Komplexität in diese erste schöne Dessertkreation.
22:40 Uhr: Dulcemousse / gefrorener Tee • gesalzenes Limettenkaramell, Bete, Quitte, Apfel
Nach nun fast 6 Stunden im Service des Lorenz Adlon Esszimmer bin ich nun beim letzten Gang angekommen und freue mich über den fantastischen Porto, welchen ich als Dessertwein eingeschenkt bekommen. Dazu gibt es ein Dulcemousse mit einer salzigen Limetten- Karamellfüllung. Oben auf setzt die Patisserie noch Georgia-Bete-Scheiben, ein Teeeis mit Zitronengras und schwarzen Tee, weiße Schokolade, Vogelmiere und Kerbel. Die typischen drei Punkte sind hier Brombeeren- und Joghurtgel. Schokolade, fruchtig, lecker.
Vor allen Dingen das sagenhafte Teesorbet sticht hier für mich hervor. Ein krönendes Dessert für einen wunderbaren Abend mit Hendrik Otto samt Team, der nun vor den spannenden Tagen der Bewertungen steht. Der Guide Michelin, Gault & Millau und Co. werden in den nächsten Tagen und Wochen ihre Empfehlungen für den nächsten Jahrgang aussprechen und ich bin gespannt, ob es denn endlich in der Hauptstadt geklappt hat.
Wir haben im Hotel Adlon Kempinski meiner Ansicht nach einen ganz starken Kandidaten für den dritten Stern. Zeit wird’s.
Ich drücke die Daumen und bedanke mich beim gesamten Team im Hause Adlon für die Möglichkeit, dass ich hier einen Service hinter den Kulissen beiwohnen durfte. Es war mir ein Fest.
Ein toller und fundierter Bericht über das meines Erachtens beste Restaurant Berlins, das endlich den dritten Stern verdient!