Bereits im ersten Teil über das unverwechselbare Hotel Adlon und dessen Spitzenrestaurant „Lorenz Adlon Esszimmer“ konntet Ihr schon sehr wertvolle Einblicke in das Tun und Handeln von Hendrik Otto erfahren. Mit der heutigen Fortsetzung geht es weiter zu den nächsten Gängen der absolut beeindruckenden Kulinarik dieses Hauses.
Ein Service bei Hendrik Otto • Die Chronik
19:14 Uhr: Langoustino / Krustentierfond • Fenchel, Pastiskaviar, Avocado, Basilikum
Der erste warme Gang ist im Anmarsch. Hendrik und sein Team geben in der Tat jetzt einen sehr schnellen Takt vor. Seine Ansage an das Team ist:
„Wenn der Steffen anfängt zu essen nach dem Fotografieren, könnt Ihr mit dem nächsten Gang loslegen“.
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Es bleibt also keine Verschnaufpause für mich und nur wenig Zeit zu realisieren, wie fantastisch und komplex die Gänge im Einzelnen wirken. Er fragt als perfekter Gastgeber natürlich nach, ob ich denn ein Glas Wein zu den Gerichten probieren möchte, ich erwidere „Eigentlich schon“, aber noch ist es dafür zu früh. Ich wollte hinterher auch schöne Bilder abliefern und nicht Gefahr laufen, alle zu verwackeln.
So hast Du eine Bouillabaisse noch nicht gegessen
Es geht also munter weiter mit dem Krustentierfond im Bouillabaisseverschnitt. In einer mittelgroßen Schale wird geschmorter Fenchel angerichtet. Darauf kommen perfekt gegarte Langoustinoschwänze. Feinperliger Pernodkaviar gesellt sich zusammen mit Sellerie, roh als Scheiben und Blätter, dazu. Abgerundet wird das Ganze mit Noah- Olivenöl aus Griechenland. Dieses qualitativ hochwertige Charity-Produkt bringt beim Erwerb sogar noch Spenden für ein Kinderhilfsprojekt mit ein. Zu dem Pot au feu wird noch ein Sauerteigbrot mit Fenchel samt Avocado, getrockneter Tomate und Fenchel angerichtet. Ist der Sud aufgegossen, kann dann der Genuss losgehen. Es ist ein sehr ausgewogener Gang, der durch den Krustentierfond die Aromatik der Langoustinos noch verstärkt.
19:37 Uhr: Geschmorte Zucchini / Fenchel • Macadamianuss, Arganöl, Koriander
Ziemlich gemüselastig geht es im nächsten Gang weiter. Hier wird eine geschmorte Zucchini in einem sehr schönen Teller in Muschelform platziert. Vorher schmort der Entremtier diese Zucchini in einem Fond aus Speck und Knoblauch. Auf einer Scheibe dieser Zucchini wird ein grüner Salat von geschmortem Fenchel, getrockneter Tomate und Macadamianüsse gegeben. Kräuter wie Dill, Basilikum, Estragon und grüne Shisokresse sorgen mit ihren ätherischen Ölen für eine starke Aromatik und Frische.
19:54 Uhr: Eingelegter Pulpo / Gemüse Gewürzcreme • gegrillte Aubergine, gesalzener Joghurt, Dill
Ich empfinde Besuche bei Kollegen immer wieder inspirierend. So viele Kochbücher kann man überhaupt nicht lesen, wie man bei einem Praktikum in einer guten Küche an neuem Wissen gewinnen kann. Gerade auch die unbekannten Produkte, welche einem so nicht unbedingt begegnen würden, sind immer wieder faszinierend. So auch diese hier gezeigte Unterart der Aubergine. Sie nennt sich Perlina-Aubergine und ist lila in der Farbe und seh lang und dünn im Aussehen. Für diesen Gang wird sie gegrillt und weich gegart.
Auf dieses Gemüse gibt man hier den glasierten Pulpo, welcher zuerst klassisch gekocht und anschließend in Kalbsjus und Asiafond glasiert wird. Dazwischen drapiert man die Creme von gesalzenem Joghurt, richtet Perlzwiebelsegmente an und garniert mit Dillspitzen und Ghoakresse die Aubergine aus. Korianderöl sorgt auch hier für eine kräuterige Frische. Für den Kick sorgt hier zudem noch der selbsthergestellte Ketchup, kann man nicht beschreiben, wie gut dieser hier schmeckt.
Eher rustikaler, wenn man hier überhaupt davon sprechen kann, wird dieser Gang zudem durch die gereichten Pommes aus Agriakartoffeln. Sie stecken in einem Sockel von Remouladensauce und wurden mit Piment d`Espelette ordentlich gewürzt. Kulinarisch ist das wieder einmal ein Gang mit einem recht weiten Geschmacksfeld.
20:12 Uhr: Der erste Blicke hinter die Kulissen
Ich bitte Hendrik um eine kleine Pause. Fototechnisch und vor allen Dingen magentechnisch benötige ich ein wenig Zeit zum Luft holen. Ich schnappe mir die Kamera und fühle einmal den Mädchen und Jungs auf den Posten auf den Zahn. Das ist bei meinen Stippvisiten in den Restaurants prinzipiell Teil des Programms. Es soll Euch die Möglichkeit geben, in die Welt der Köche dieser erlesenen Restaurants einzutauchen, um deren unterschiedliche Handhabe zu erfahren.
Gab es bei so einigen Restaurants, vor allen Dingen privat geführter Natur, den Umstand, dass man aus der Not heraus so einiges improvisiert hat, ist das hier komplett das Gegenteil. Hier kann man auf alle Mittel zurückgreifen, die ein Koch sich in einer Küche nur wünschen kann. Die Herde sind mit Induktionstechnik ausgestattet. Die Konvektomaten zum Teil von der neuesten Generation. Kleingeräte wie Thermomix, Pacojet etc. sind ebenso selbstverständlich. Geht hier etwas kaputt, kann ich mir nicht vorstellen, dass das lange so bleibt.
Kein Raum für Improvisation
Hier wird nichts dem Zufall überlassen. Alle Mitarbeiter arbeiten hier sehr sauber und zügig. Während des Services hört man die Köche nicht großartig laut reden, alle sind wirklich sehr auf den perfekten Service eingestellt und müssen außerdem darauf achten, ob der Chef wieder etwas annonciert, denn das wird nur ungern wiederholt. Zuhören ist also angesagt. Die Zeitangaben sind genau, die Toleranzen nach oben und unten nur sehr klein. Es muss auf den Punkt alles sitzen.
Der fertig gegarte Fisch und das Fleisch wird vom zusammen gezogenen Saucier-/Poissonierposten stets auf einen kleinen Teller für das saubere Anrichten am Pass umgesetzt. Man würde hier nicht im Traum daran denken, mit der heißen fettigen und vielleicht auch spritzenden Pfanne an den sauberen Pass zu kommen. Dieser ist mit einer weißen Decke abgedeckt. Hier wird sauber, akkurat und immer perfekt angerichtet. Alle Schritte sind vertraut und jeder weiß, wie er sich bewegen darf, damit es nicht zu ungewollten Zusammenstößen kommt. Es muss ablaufen wie in einem Uhrwerk, wo idealweise alles zeitlich präzise getaktet ist und jeder seine Limits kennt.
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Fokus auf das Wesentliche
Obwohl die Anspannung hier aufgrund des Drucks sehr hoch sein muss, geben sich die meisten sehr gelassen, gleich wen der ein oder andere auch gut gestresst sein mag. Jeder hat hier nicht das Ziel, die zwei Sterne im Guide Michelin zu verteidigen. Hier gilt es endlich den dritten Stern einzufahren. Viel zu lange schon gilt die Küche von Hendrik Otto mit als wahrscheinlichster Kandidat für solch eine Ehrung, doch blieb sie ihm in jüngster Vergangenheit leider verwehrt. Ich persönlich werde am Abend noch zu dem Schluss kommen, dass ich es nicht nachvollziehen könnte, würde er erneut in diesem Jahr nicht die höchste Auszeichnung im Kocholymp erhalten.
20:35 Uhr: Roh marinierter Lachs / Zitronengras • Szechuan Pfeffer, geschmorter Kohl, Koriander
Und das mag ganz sicher an Gängen wie diesem liegen. Hier ist nicht nur die Präsentation im asiatischem Gewand stimmig. Das Aufgetischte harmoniert einfach perfekt miteinander und spielt mit Schärfe, dem Umami-Geschmack und Frische, dass man sich darin einfach nur hineinlegen möchte. Der rot marinierte Lachs wird neben dem Pfeffer mit einem geschmorten Spitzkohlblatt bedeckt.
Darauf gibt es einen mit Shii Take Pilzen und Frühlingslauch gefüllten Dim Sum. Der am Tisch eingeschenkte asiatische Kohlsud verbindet die Elemente geschmacklich miteinander. Die drei dressierten Punkte hier sind eine Creme von fermentierten Knoblauch. Wer es noch nicht erkannt hat, dem sei es hier erklärt. Hendrik Otto möchte seine Teller wiedererkennbar gestalten. So „unterschreibt“ er quasi seine Gerichte mit einer separat dressierten Creme, welche immer in drei Punkten gestaltet ist.
20:52 Uhr: Gebackenes Schweinekinn / glasierte Roscoffzwiebeln • geräucherte Kartoffel, Yuzu, Rosmarin
Es ist Halbzeit. Ich feiere mein lukullisches Richtfest und wenn ich einen speziellen Gang zu meinem „Favorite Dish“ erklären müsste, wäre dieser ganz vorne. Wobei ich einräumen muss, dass es so einige Gerichte ganz nach vorne geschafft haben und ein abschließendes Urteil mir hier schwer fällt. Es geht hier um eine asiatische Interpretation vom Schweinekinn. Dieses wird dafür gepökelt, gekocht, lauwarm in eine Form gepresst und nach dem Erkalten zurecht geschnitten. Danach wird es in einer Mischung aus im Schweineschmalz geröstetem Panko, gepufften Wildreis und Buchweizen paniert und ausgebacken.
Die Roscoff-Zwiebel
Geadelt wird dieses Stück Schwein mit einer Roscoff-Zwiebel. Diese spezielle Sorte stammt aus der Bretagne, genauer gesagt dem Westen davon. Es ist eine sehr alte und geschützte Zwiebelsorte, welche von außen dezent rosa schimmert. Diese wird hier in ihre einzelnen Segmente zerlegt und mit Speck, Lorbeer, Chili und Rauchsalz angesetzt, mit Jus und Birnenessig abgelöscht und im Ofen geschmort.
Dieses Zweierlei setzt Hendrik auf einen Klecks geräuchertes Kartoffelpürre. Eine Jus mit Yuzu sorgt hier für den Geschmacksverstärker. Die Unterschrift setzt er mit drei Punkten einer orientalisch anmutenden Creme von Banane, Curry, Ananas und Mango – quasi eine Sauce aus „Tausend-und-einer-Nacht“.
Vor diesem Gang ziehe ich meinen Hut. Er bedarf nur wenige einzelne Komponenten, welche aber in ihrer Zubereitung als auch Zusammensetzung derart gelungen sind, dass es eigentlich keine Worte mehr braucht. Perfekt!
21:20 Uhr: Black Angus Rind / Schmorfond • Speckbohnen, Petersiliengel, Majoran, Pfefferkraut
Beim nächsten Gericht erkennt man die wahre Stärke von Hendrik Otto. Er ist ein exzellenter Könner im Umgang mit Saucen. Diese werden allesamt von ihm selbst gekocht. Da lässt er keinen im Team ran. Das ist nicht in allen Küchen der Fall, dass die Saucen noch vom Küchenchef selbst gekocht werden. Hier ist es aber so und man kommt nicht umhin, ihn dafür zu danken. Sie sind einfach göttlich und in ihrem Geschmack derart gut ausbalanciert, dass man sicherlich ewig bräuchte, um diesen Geschmack herauszuarbeiten.
Der erste Hauptgang besteht aus einem präzise gegarten Stück Rinderfilet vom Angus Beef. Dessen perfekter Garpunkt wurde auch lautstark von Hendrik bei seinem Saucier anerkannt, da hat er sich gefreut. Des Weiteren gehört zu diesem Teller ein mit Speckbohnen-Bouquet mit Räucherremoulade, Bohnenkraut, Majoran, Kerbel und daneben eine kleine Haube von Sauce Choron, eine Sauce Hollandaise mit Tomatenextrakt, aus dem Espuma. Daneben dressiert er samtige Petersiliencreme und signiert diesen Teller mit Speckgel. Et Voilà!
Und hier endet er auch schon, der zweite Teil der dreiteiligen Serie zu meinem Tag im Lorenz Adlon Esszimmer. Für den letzten Teil musst Ihr Euch gar nicht mehr so lange gedulden.
Hier kommt Ihr zum ersten Teil der Belin Chef Stories in der Hotel Adlon Reihe.