Tim Mälzer ist höchst umtriebig. Neben den eigenen gastronomischen Einheiten, die er leitet, ist er zudem ein häufig gesehener Fernsehkoch und Buchautor. Als Letzterer sorgt er nun für eine aktuelle Neuerscheinung auf dem deutschen Kochbuchmarkt. Mit „Die Küche“ stellt er derzeit seinen eigenen Kochstil über den Mosaik Verlag vor.
Die Omnipräsenz als Fernsehkoch
Mit Fernsehköchen ist es ja so eine Sache. Man kann ihnen nicht so richtig aus dem Weg gehen. Da herrscht bei so einigen Vertretern ihrer Zunft eine derbe Omnipräsenz. Beispiele dafür gibt es vielfach: Steffen Henssler, Johann Lafer, Horst Lichter, Alfons Schuhbeck, Alexander Herrmann, Nelson Müller, Christian Rach und auf jeden Fall auch Frank Rosin. Zumeist sind diese Exoten zudem auch Gastgeber in einem oder höchstwahrscheinlich sogar mehreren Restaurants, wo sie dann als amtierender Küchenchef kommuniziert werden. Inwiefern dieses Dasein auf der Mattscheibe zuträglich für gute Kritiken bei den Restauranttestern ist, durfte kürzlich Nelson Müller erfahren. Es wird darüber spekuliert, inwiefern man denn die durchaus guten Leistungen durch eine stetige Anwesenheit und Mitarbeit seitens N. Müller nicht noch um ein Vielfaches steigern könnte. Aber das steht auf einem anderen Papier.
Tim Mälzer ist als Kochbuchautor kein Neuling
Heute geht es um die jüngste Veröffentlichung des Kochbuchs von Tim Mälzer. Er ist ebenso ein medial erfahrener Vollprofi, wenn es darum geht, dem Zuschauer an den Fernsehgeräten die Zusammenhänge deutscher Essgewohnheiten zu erklären. Desweiteren betreibt er mit der „Bullerei“ ein Restaurantkonzept, welches sich in eine Vielzahl weiterer von ihm geleitete Foodkonzepte in Hamburg eingliedert. Sie läuft höchst erfolgreich. Dort brennt stets der Baum. Ich habe es selbst mehrmals erfahren.
Kochbücher hatte er schon so einige herausgebracht. So gibt es bereits das „Kochbuch“, „Greenbox“, „Heimat“, „Born to Cook“, „Mälzer & Witzigmann“, „Born to Cook 2“ und diverse Sonderausgaben.
Das neue Werk trägt den Titel „Die Küche“ und er umschreibt es als das Persönlichste seiner Bücher. Es geht um die Essenz seines kulinarischen Schaffens. So dargestellt, klingt es erst einmal höchst dramatisch.
Wie will Tim Mälzer in „Die Küche“ dem Leser das Experimentieren beibringen?
Von Beginn an lernt man hier ein Wenig über ihn kennen. Er beschreibt seinen Werdegang und wie er zum Kochen gefunden hat. Zu seinem Hang zur italienischen Kochkunst verhalf ihm zum Beispiel Gennaro Contaldo. Es war die emotionale, intuitive und oft auch impulsive Art, welche ihn dabei ansteckte. In gleicher Weise gab es auch amerikanische Einflüsse, wie die von Jean- Georges Vongerichten, der in seiner Rolle als Koch und Unternehmer ihn absolut überzeugt hatte. Seine Art zu kochen, Strukturen aufzubauen, Menschen zu führen und das Kochen zu leben und zu lehren, galten für Mälzer als sehr authentisch und zeugte gleichwohl von einer sehr persönlichen Handschrift.
An Tim Mälzer zogen natürlich auch die bekannten Trends nicht spurlos vorüber, doch konnte er sich mit den meisten nicht arrangieren. Die kleinen Portionen der „Novelle Cuisine“ lehnte er ab, die merkwürdigen Kombinationen der „Crossover- Küche“ empfand er als zweifelhaft und den hochgetürmten Speisen mit frittierten Aufbauten konnte er sowieso nichts abgewinnen. Für ihn gilt es, nicht Abzulenken. Die Reduktion auf das Wesentliche.
Kann Tim Mälzer das Versprechen halten?
So tritt er an, um mit Alltagsgerichten den Leser zu inspirieren. Diese sollen das Fundament für einen durchweg frei interpretierbaren Kochstil sein, welcher sich nicht zwangsläufig an die hier aufgeführten Rezepte halten muss, sondern diese eher als Empfehlung nutzt.
Er selbst gibt sich ja eher unprätentiös, offen und hemdsärmelig. Das Buch ist in diesem Stil gestaltet, ganz anders als das Kochbuch „Greenbox“, welches in einer eher offensiven Tonart geschrieben war. Hier wurde sämtlicher Inhalt aufs Höchste abgefeiert und der trendige, vegetarische Hochgenuss übertrieben hochgelobt. Davon ist er zum Glück abgekommen.
Der Inhalt besticht durch eine eher klassische Kapitelauswahl
Auf diesen Seiten ist hingegen alles ruhig und ausgeglichen. Die Rubriken „Salat“, „Gemüse“, „Fleisch“, „Geflügel“, „Fisch“, „Mehl, Eier, Milch“ und „Das Menü“ sind nach einer kleinen Einleitung gefüllt mit den über 120 Einzelrezepten. So ist das bei den Salaten zum Beispiel ein „Wildkräutersalat mit klassischer Vinaigrette“ oder ein „Gebratener Römersalat mit Räucherpaprika- Aioli“. Den Schwierigkeitsgrad würde ich bis hierhin als einfach einstufen. Richtige Knaller begegnen mir nicht.
Der Schwierigkeitsgrad hält sich stets einfach bis moderat
Selbiges Niveau folgt im nächsten Teil beim Gemüse. Verkleinert wirken die Gänge. Ich habe stets das Gefühl, hier fehlt doch irgendwas für den vollendeten Genuss. Beim „Auberginenpüree mit gebackenem Hering auf Brot“ ist dieser Wunsch bei mir sehr stark. Diese Empfindung tritt beim Teller mit dem „Wilden Brokkoli mit Haselnüssen“ aber noch stärker hervor. Hier sehen wir in der Tat ein Gericht mit nichts weiter als gegartem Brokkoli mit Haselnüssen. Sicherlich ist der „Wilde Brokkoli“ ordentlich gegart und die Haselnüsse geben dem grünen Gemüse noch eine angenehme Röstnote, doch überzeugt mich die Zusammenstellung und Darbietung hier in keiner Weise. Fast identisch im Stil kommt wenige Seiten später der glasierte Spinat daher, der wiederum mit dem Protagonisten Haselnuss auf das Steingut kommt, dieses Mal als Öl- Version.
Es gibt natürlich auch „komplexere“ Speisen, die mit vier oder fünf Komponenten zu Buche schlagen. Als absolute Ausnahmen kann man diese Rezepte mit den auf zwei oder bestenfalls drei begrenzten Rohstoffe aber auch nicht bezeichnen. Für meine Begriffe ist das ein wenig zu stark eingestampft.
Garantiert nicht zu kompliziert
Dies hat nun auf der einen Seite den Vorteil, dass der Schwierigkeitsgrad beim Zubereiten nicht sehr hoch ist und so viele Leser bei Laune gehalten werden können. Wenn bei mir aber ein Rezept im Prinzip aus einem „Steckrübenpüree mit Parmesan“ besteht, dann denke ich da zuerst einmal:
“Und was gibt’s`dazu?“
Natürlich kann man meinen, dass ich mir hier aus meinen Sättigungsbeilagen, dem Gemüserezepten und am Ende vielleicht noch im Fisch. oder Fleischbereich meine individuelle Speise zusammenstellen kann. Dafür sollte aber dem Leser, der nicht immer über einen derart großen Ernährungswissensschatz aufwarten kann, wiederum bei jedem Gericht die passenden Begleiter aus dem Buch genannt werden. Auf diese Weise bleibt es für viele ein Fischen im Trüben, ob zum Beispiel das „Kaninchenfilet mit Haselnüssen und geröstetem Brokkoli“ (hatten wir sowas nicht schon einmal?) gut zu den „Kürbis- Rösti mit Apfelsalat“ passt.
Ein erstes Durchblättern
“Die Küche” von Tim Mälzer from Steffen Sinzinger on Vimeo.
Die Bildsprache ist dem Design entsprechend eher rauer Natur. Die abgebildeten Speisen sind nicht in Fine Dining Manier angerichtet, sondern so wie man es auch zu Hause vermuten würde, nicht ganz perfekt inszeniert. Hier ist vielleicht sogar etwas ganz leicht angebrannt und woanders eventuell ein wenig unförmig.
Was mir an der optischen Darstellung nicht gefällt, ist die Überbelichtung bei einigen Bildern, die teilweise bis zur Unkenntlichkeit fortgeschritten ist. Die Funktion eines Bildes, Dinge wiederzugeben, ist an einiger Stell einfach nicht mehr gegeben. Ich kann nur erahnen, wo die Reise hingeht.
Fazit
Überzeugen kann mich dieses Buch daher leider nicht. Die Rezepte finde ich in ihrer Auswahl zu beliebig. Die Zusammenstellungen der Teller in einem nicht geringen Teil unzureichend. Mir erschließt sich das Konzept nicht so richtig, so dass ich für meinen Teil auch keine Kaufempfehlung aussprechen kann.
Aber auch dieses Buch wird unter Garantie seine Käufer finden, nicht zuletzt auch aufgrund der vermarktungstechnischen Fähigkeiten eines Tim Mälzers, der nicht umsonst als einer der erfolgreichsten Hamburger Gastronomen gilt und hier nicht sein letztes Kochbuch veröffentlicht haben dürfte.
Hallo, danke für die ausführliche Analyse de Buches. Es ist nur meine Meinung, ich erlaube mir aber salopp zu behaupten,Mälzer`s Haupteigenschaft ist die des Dampfplauderns. Habe seine Allüren, nie mit sein eigentliches koch-können in Einklang bringen können.
Sorry, bin aber nur ehrlich. ..
Gruß, Jacob
Ich finde auch nicht ganz unwichtig, dass Tim Mälzer bei dem Buch zwar beim Foodstyling mit Hand angelegt hat, aber das Buch unter der Federführung von Marcel Stut (“Essen & Trinken”-Küche) entstanden ist. Bei den Rezepttexten hat dann noch ein weiterer Rezeptautor mitgeholfen und auch die anderen Texte sind von zwei anderen Herren geschrieben worden. Deshalb finde ich es fast ein wenig unseriös, dass Tim Mälzer im Impressum als “Autor” genannt wird.
Die bisweilen stark überbelichteten Fotos gefallen mir übrigens auch nicht 😉
Wenn das alles wirklich so ist, wie Du es hier beschreibst, dann ist das natürlich sehr PR-lastig und die Authenizität wäre quasi futsch. Nur leider wird das den meisten Lesern verborgen bleiben. Aber ich finde es schön, dass Du da einen ähnlichen Geschmack wie ich hast. 🙂
Schau’ doch einfach ins Impressum vom Buch. Da stehts doch drin – andere Info habe ich auch nicht …
Eins vorweg: Der Kritik an der Bildauswahl schließe ich mich zum Teil an. Was zum Beispiel für das Blumenkohlrisotto-Foto (S. 101) spricht, weiß Herr Mälzer allein. Demgegenüber gibt es allerdings eine ganze Menge Fotos, die ich schon als künstlerisch wertvoll einstufen würde, z.B. die Impression auf S. 54/55 oder die Aubergine auf S. 62. Überhaupt sehen viele Bilder eher nach Galerie aus und weniger nach Kochbuch, sie sollen offensichtlich gar nicht funktional sein, sondern dekorativ und stimmungsvoll. Tomaten in Schwarzweiß (S. 72) – darauf muss man erstmal kommen. Irgendwie bescheuert, aber auch irgendwie mutig und fast genial. Unterm Strich Geschmackssache.
Zu den bisherigen Kommentaren kann ich aber nur den Kopf schütteln. Meint denn tatsächlich irgendjemand, dass Mälzer sich nach Feierabend zuhause hinsetzt und an seinem Buch schreibt? Dass er höchstens ein bisschen “beim Foodstyling mit Hand angelegt” hat, aber ansonsten nur seinen Namen für ein Buch hergibt, auf dem “das definitive Tim Mälzer Kochbuch” steht? Das wäre wirklich eine naive Vorstellung davon, wie solche großen Buchprojekte realisiert werden. So etwas kann nur mit einem größeren Produktionsteam und Arbeitsteilung funktionieren. Herr Stut zum Beispiel war schon bei jedem der letzten drei Mälzer-Bücher Produktionsleiter. Die Texte hat bei allen Mälzer-Büchern jemand anderes formuliert, und daraus wurde auch kein Geheimnis gemacht. Das ist nun wirklich das Normalste auf der Welt, auch wenn das vielleicht einige enttäuscht, die Tim Mälzer für eine Koch-Schriftsteller-Doppelbegabung gehalten haben. Trotzdem ist immer derjenige der Autor, der die Autorität darüber hat, wie das Buch am Ende aussieht, der über die Inhalte entscheidet. Unseriös ist das keinesfalls, schon gar nicht, wenn damit so offen umgegangen wird. Diese Kritik geht an der Realität vorbei.
Zu den Rezepten kann ich noch nichts sagen, weil ich das Buch gerade erst erhalten habe und noch nicht zum Kochen gekommen bin. Nach allem, was ich mir bisher angeschaut habe, scheint “Die Küche” eben ein Grundlagenkochbuch für Hobbyköche zu sein. So gesehen sind Profis gar nicht Mälzers Zielgruppe. Im Vorwort steht es ja: “Wenn Sie in der Küche noch unsicher sind oder in der Flut von Informationen Orientierung suchen, hoffe ich, Ihnen mit diesem Buch ein sicheres Fundament zu geben.” Ich verstehe das Buch eigentlich auch nicht so, dass man Rezept X mit Rezept Y kombinieren soll, damit es am Ende ein Hauptgericht mit Beilagen ergibt. Das kann im Einzelfall so sein (Schweinebraten mit Rotkohl), muss aber nicht.
Es soll in meinen Augen vielmehr darum gehen, erstmal den sinnvollen Umgang mit den einzelnen Produkten zu lernen, erstmal eine Basis zu finden, und dann, wenn man da Sicherheit gefunden hat, selbst etwas eigenes damit auszuprobieren und zu kombinieren. Dazu hat Mälzer die Leser ja schon in den früheren Büchern ermutigt, und das hat mir persönlich immer schon gefallen und auch geholfen. Im neuen Buch sind tatsächlich eine ganze Menge Sachen, die ich noch nie gemacht habe, weil mir einfach ein vernünftiges Grundrezept bzw. die richtige Anleitung gefehlt hat. Wirklich gut finde ich die locker eingestreute Warenkunde und die Texte zur Kochtechnik. Auf den ersten Blick scheint das nur Blabla als Auffüller zu sein, aber was ich da bisher zum Beispiel so über Pilze, Schmoren, Saucen oder Fleisch im Allgemeinen gelesen habe, hat auf jeden Fall mehr Substanz als bei den allermeisten Kochbüchern, die sonst so herumgeistern. Jetzt muss das Buch nur noch den Praxistest bestehen. Und da fällt mir noch ein Minuspunkt ein: Für diesen Prachtband ist es in der Küche eigentlich zu gefährlich …
Hallo Zusammen,
etwas ungewöhnlich für mich, dass ich mich in einem Blog zu Wort melde, aber das neue Kochbuch von Tim Mälzer hat mich dazu bewogen. Vorneweg, ich bin ein totaler Tim Mälzer Fan, ich habe alle seiner Kochbücher und bin von von seiner authentichen Art begeistert. Unzählbare Rezepte habe ich nach seinen Büchern gekocht (Zitrone immer weniger verwenden, als angegeben :-).
Warum schreibe ich jetzt hier?….
…Weil ich total enttäuscht von “Die Küche” bin. Ich habe es tatsächlich wieder an Amazon zurück gesendet.
Ich habe das Gefühl, dass “Die Küche” und auch davor schon “Heimat” nicht tatsächlich von Tim Mälzer stammen?
Schade – Alexander
Ein Tipp von einem Leser hier legte mir sogelich den Blick ins Impressum nahe. Dort kann man auf einen Blick erkennen, wie viele unterschiedliche Rezeptautoren hier mitgewirkt haben. Sicherlich muss man sich auch nicht der Illusion hingeben, dass ein Tim Mälzer, so vielbeschäftigt wie der nun mal ist, alles selbst schreibt, aber hier wird offensiv damit geworben, dass es das wohl persönlichste Buch ist, welches er veräffentlicht hat. Mag nun jeder davon halten, was er will.