Der Zufall spielt bei nicht wenig bekannten Aromenkompositionen, die es vielleicht sogar zum Status eines echten „Klassikers“ gebracht haben, eine nicht unwesentliche Rolle. So ist auch dieser sommerliche Gang ein Beleg für derartige Missgeschicke, die einen hin und wieder in der Küche wiederfahren und sich dennoch als letztendlich glückliche Begebenheit entpuppt.
Der Zufall sorgte schon sehr oft für viele Genussmomente
Beispielsweise ist vom Earl Grey, meinem Lieblingstee, folgender Eintrag bei Wikipedia zu finden:
Ein glücklicher Umstand also, der bereits zu unzähligen Genussstunden geführt haben dürfte.
Der Zufall karamellisiert auch mal
Die sogenannte „Dulce de leche“, eine beliebte und derb süße Milchkaramell- Creme, ist obendrein ganz aus Versehen entstanden. Eine Kanne mit süßer Milch wurde schusseliger Weise von einer Dienerin des Diktator Juan Manuel Ortiz de Rosas zu lange auf dem Ofen warm gestellt. Der so entstandene Karamell in der Milch und ferner das langsame Reduzieren sorgten für die wunderbar cremige „Confiture de lait“.
Wie aus der Not der bayerische Stolz entstand
Als drittes und letztes Beispiel sei hier noch die Weißwurst erwähnt. Sie ist so ziemlich aus der Not heraus entstanden. Ein Lehrling bekam von seinem Chef die Aufgabe, für Nachschub bei den Schafseitlingen zu sorgen. Es war Rosenmontag und für eine Feierlichkeit wollte man sich mit Bratwürsten stärken. Der Azubi bekam die dafür nötigen dünnen Wurstdärme nicht beschafft und lieferte stattdessen kaum essbare, zähe Schweinsdärme vom Schlachthof.
Doch im ausgebuchten Hause hatte man nicht wirklich die Wahl, so dass sich der Gastgeber Moser dazu entschied, das Brät in die eigentlich ungeeigneten Därme zu stopfen. Aus lauter Vorsicht, diese würden auf dem Rost platzen, brühte er sie im heute bekannten siedenden Wasser. Im gleichen Jahr wurde diese zufällige Entdeckung der Verkaufsschlager auf dem Oktoberfest. Auch heute noch kann man diese Wurst zum kulinarischen Kulturgut Bayerns zählen.
Silvester, zwischen zwei Gängen
Eine ähnliche zufällige Begebenheit hatte ich vor einiger Zeit zum Jahreswechsel miterlebt. Damals war ich noch Chef de Partie vom Entremetier (Gemüse- und Beilagenposten), also ein Abteilungsleiter. Es war bei einem Silvestermenü und wir schickten im letzten Stock des höchsten Gebäudes am Berliner Breitscheidplatz eine Gangfolge für knapp 70 Gäste.
Der letzte Zwischengang vor dem Hauptgang wurde abgeräumt. Es gab neben anderen Bestandteilen etwas mit grünem Erbsenpüree. Eine Kasserrolle war noch am Pass, sie wurde versehentlich nicht mit abgeräumt. Bevor wir also zum Anrichten des Hauptgangs kamen, wurde es noch ein auflockerndes Himbeersorbet mit Minze. Auch hier blieb wie immer etwas über, weshalb ich mich entschloss, etwas vom Himbeersorbet naschen zu wollen. Weil kein Löffel griffbereit war, nahm ich mir den aus dem Erbsenpürreetopf.
Erbse, Minze und Himbeere
Als ich alles zusammen probierte, war der Geschmack zuerst etwas merkwürdig wie ungewohnt. Nun war ich aber erst recht neugierig nach mehr geworden, und wollte wissen, ob es denn sein könne, dass dieser Dreiklang im Gaumen wirklich perfekt funktionierte. So wurde ich etwas mutiger und nahm eine größere Menge noch lauwarmes Erbsenpüree und eine passende Anhäufung Sorbet mit etwas frisch geschnittenen Minzjuliennes auf dem Löffel auf.
Und da war er, der Moment, wenn Du glaubst, etwas ganz Besonderes entdeckt zu haben. Und auf dem Fuße war sogleich der nun ziemlich laute Chef zu vernehmen, der unüberhörbar bei dieser ungeplanten „Verkostung“ nach dem Hauptgang … schrie… fragte.
Doch was stellt man nun mit diesem Wissen an. Am Besten man testet viel, was auch geschah. Viele Genusskonzepte haben wir mit dem Akkord Erbse- Minze- Himbeer auf die Karte gebracht. Ob es eine eisgekühlte Erbsen- Minzsuppe mit Himbeereinlage war oder kleine Kanapees mit Erbsencreme, getrockneter Himbeere und Minzespuma. Wir ließen nichts aus. So kommt es auch heute noch vor, dass ich mich mit dieser Kombination auseinandersetze, um vor allen Dingen im Sommer, die Gäste zu erfrischen.
Heute ist es ein warmer Zwischengang vegetarischer Art.
Erbsenrisotto · Minze · Wildkräuter · Pfifferlinge
Die Rede ist von einem Erbsenrisotto mit Minzjulienne, gebratenen Pfifferlingen und Wildkräutern. Natürlich dürfen wir auch die Himbeere nicht vergessen, sie lege ich zum einen im Ganzen auf und separat lösche ich die gebratenen Pilze mit einem Tropfen Himbeeressig ab.
Wichtig beim Risotto ist mir der gleich zweifache Einsatz der grünen Erbse. Zum einen produziere ich ein Erbsenpüree und zum anderen rühre ich neben dieser Erbsencreme beim Erhitzen noch knackig blanchierte Erbsen mit hinein. Auch solltet Ihr die Minze so spät wie es nur geht in feine Streifen schneiden und unter das fertige Risotto geben. So behaltet Ihr noch größtenteils den frischen Minzgeschmack und die schön grüne Farbe bei.
Aus den Pfifferlingsabschnitten habe ich noch eine leichte Pfifferlingssauce gekocht, die nur kurz vorm Schicken aufgemixt wird.
Rezept für die Erbsencreme
- 800 g feine Erbsen ( TK – Produkt )
- 80 g Schalotten
- 310 g Kartoffel ( mehligkochend )
- 500 ml Gemüsefond
- 65 g Butter
- Salz, Pfeffer, Zucker, Muskat
Zubereitung
- In Butter die Schalottenohne Farbe nehmen zu lassen anschwitzen
- Die Kartoffeln zufügen und mit etwas Fond aufgießen
- Alles weich kochen
- Die Erbsen kurz hinzugeben und mit Restfond aufgießen
- Mit dem Salz, Pfeffer, Zucker und Muskat abschmecken
- In den Vitamix geben und für 30 Sekunden alles auf höchster Stufe mixen. Dabei mit dem Stößel alles vermengen
- Gegebenenfalls durchstreichen
Bei allen Zufällen in der Kulinarik muss man am Ende des Tages aber dennoch feststellen, dass Kochen und gerade das Konzipieren neuer Speisen, zum größten Teil noch harte Arbeit unter Einsatz vieler Erfahrung und so einiges an Tüfteleien für den Koch bedeutet, bevor dann solch eine ebenso erfüllende Speise zustande kommt. Das hat so rein überhaupt nichts mit Zufall zu tun. Zum Glück.