Hier in Berlin gibt es eine Menge an Gestaltern, ein Großteil ist sie zugezogen. So importiert sich kreativer Input regelmäßig in die Hauptstadt. Die Spreemetropole pulsiert gerade durch diese unterschiedlichen künstlerischen Strömungen. Hat man das Gefühl, dass die Metropole für einen Moment zur Ruhe kommt, packt einen wieder eine neue Stilrichtung, die es zu entdecken gilt.
Kulinarisch zündeten am 1. Juni gleich zwei solcher importierten Spitzenkräfte ihres Fachs ein absolut einzigartiges Feuerwerk. Keine Geringeren als Paco Pérez und Johannes King ließen sich auf ein durchaus kontrastreiches Intermezzo der umfangreichen Art ein. Gezeigt wurden insgesamt 12 Gänge, der Schauplatz war das „5 – Cinco by Paco Pérez“ im Designhotel „Das Stue“.
- Monty zieht noch eine Letzte durch.
- Das Gruppenfoto darf natürlich nicht fehlen.
Ein Tag am Meer – Ein 4- Hands- Dinner von Paco Pérez und Johannes King
Zu meiner großen Freude wurde ich von Johannes King gefragt, ob ich denn Lust hätte, dieses Event zu begleiten und um für die Nachwelt meine Eindrücke aus dem Küchenbereich zu dokumentieren. Zudem sollte es meine Aufgabe sein, deren Instagram Account für den Abend zu kapern und quasi „live aus den heiligen Hallen“ zu berichten.
- Jan bei den Vorbereitungen in der Pâtisserie.
- Hier wird schockgefrostet.
- Monty (links), einer der drei Küchenchefs erklärt den Ablauf.
- Die Küche im Cinco ist sehr groß und hat ungewöhnliche Laufwege.
Ich empfand dieses Angebot als große Ehre und Herausforderung zugleich, vergeht doch solch ein Abend, auch wenn es ein derart umfangreiches Menü aufgefahren wird, wie im Fluge und jeder Moment nicht wieder kommt. Da braucht man ein gutes Auge und Timing. Ich sagte zu, da ich so ein Projekt noch nicht in deutschen Blogs entdeckt habe und ich es liebe, bei Pionierarbeiten mitzugestalten.
Der Instagram Feed von Johannes King
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So bekam ich am besagten Tag die Zugangsdaten des Accounts von Johannes King und baute im Backoffice mein kleines Fotostudio auf, so dass ich von allen angerichteten Gängen auch ein sauber aufgenommenes Bild anfertigen konnte.
- Alles ist bestens für das Amuse vorbereitet.
- Die Schwertmuschel wird heute als „Tapas“ mit Glockenapfel und Dill gereicht.
- Man kann alle Schritte von außen gut einsehen. Das nenne ich mal Transparenz.
- Das Setting für die gefüllten Schnecken.
- Der Sylter Knieper
- Krsutentiercrunch
- Jan bewahrt immer ein ruhiges Händchen.
Für die Aufnahmen der letzten Handgriffe des Menüs und die finalen Anrichtephasen bekam ich Zutritt in die Küche des „Cinco“. Bei meiner Ankunft waren natürlich die beiden Hauptdarsteller schon anwesend. Eine lockere Atmosphäre herrschte. Es muss gegen 16:00 Uhr gewesen sein, als ich eintraf. Es war also noch ausreichend Zeit, und offensichtlich hatten beide alles im Griff. Hier schien auch keiner im Team auf irgendeine Art nervös zu sein.
- Venusmuschel mit geeisten Algenperlen • Schwertmuschel mit Glockenapfel und Dill
- Rote Garnele vom Cap de Creus mit ihrer Essenz und Meeresspinne
- Sylter Knieper mit einem Krustentierbrotr & Venusmuschel mit geeisten Algenperlen
- Miesmuschel Escabeche
Johannes King hatte sich für diese Arbeit seinen Küchenchef mit ins Boot geholt. Jan- Philipp Berner ist seit 2013 im Söl`ring Hof der Stellvertreter. Bei King ist es bereits seine zweite Tätigkeit. 2009 war er schon als Chef de Partie beschäftigt, verließ das Haus jedoch für eine kurze Stippvisite zu Nils Henkel.
Paco Pérez hingegen konnte hier auf sein komplettes Team setzen. Für solche Veranstaltungen reist er natürlich an, sonst aber leitet sein Team, allen voran die drei Küchenchefs Monty Agulio Wray aus Spanien, Andreas Rehberger aus Österreich und Pato Zucarini aus Argentinien, die Küche autark. Diese ist vom Aufbau her auch recht ungewöhnlich. Hier gibt es irgendwie kein so richtiges Zentrum. Viele Anrichteflächen sorgen für eine recht flexible Nutzung. Die abgetrennte Pâtisserie kann an solch heißem Tag wie heute auch mit deutlich angenehmeren Temperaturen als die Hauptküche aufwarten. Daher hatte es mich schon aus diesem Grund immer wieder hier hin getrieben.
Als es um 17:00 Uhr dann zum letzten großen Meeting mit allen Entscheidungsträgern ins frisch eingedeckte Restaurant ging, schwenkte die Atmosphäre dann doch etwas ins Konzentrierte. Hier besprach man nun Gang für Gang das Eingemachte. Zeiten, Anrichtekonzepte, Besonderheiten, Allergien und Unverträglichkeiten der Gäste, Weinbegleitungen und viele andere elementare Fragen kamen auf den Tisch. Hier wollte man nichts dem Zufall überlassen.
Nebenbei sei noch angemerkt, dass für mich das erste Betreten dieses kulinarischen Tempels, überwältigend war. Die mittig platzierte lange Tafel stand unter einem imposanten Himmel aus Kupfertöpfen. Obendrein sah man am Ende des Gangs in eine Art goldenen Spiegel. Für die Gäste mit optimaler Sitzrichtung, gab es den Abend über neben dem beeindruckend angerichteten Speisen auch noch die gesamte Küche durch die groß eingelassenen Scheiben zu sehen. Man betritt hier wahrlich eine Lokalität mit USP.
Zuerst ging ich bei Johannes King auf Tuchfühlung. Er war gerade bei seiner Vorspeise und richtete einen ersten Probeteller an, damit das Team vom Cinco sich ein Bild vorab machen konnte.
- Johannes King richtet sich ein
- Die MEP- Liste darf natürlich auch nicht fehlen
- Paco is watching you, allways!
In der Menüfolge sollte es sich im Kern um die Spezialitäten aus dem Meer drehen. Wer Johannes King kennt, der weiß, dass dieser 95 % seiner Fische aus Dänemark bezieht und aus Prinzip keinen Fisch, welcher südlich von Hamburg gefangen wurde, im Söl`ring Hof verarbeitet. Wohingegen die spanische Küche eines Paco Pérez von der Vielfalt des Mittelmeeres lebt. Beide sind Küchenchefs in 2- Sterne- Restaurants und bringen jeder für sich nicht nur andere Produkte auf den Teller, sondern haben ebenso eine gänzlich unterschiedliche Kochphilosophie. Das äußert sich in Textur, Darbietung als auch den Einsatz der Garmethoden.
Johannes King bietet eine sehr naturbehaftete Kulinarik an. Hier wirkt nichts gekünstelt, man gibt sich eher pragmatisch und bodenständig aber dennoch nie gewöhnlich. Es ist eine regional bezogene Küche, die zum Beispiel auf den Einsatz von heimischen Ölen und Essigen setzt. Die Sylter Umgebung offeriert in allen vier Quartalen ein gänzlich anderes Geschmacksbild. Dies den Gästen und Besuchern auf dem Teller darzustellen, hat er sich zur Aufgabe gemacht. So ist zum Beispiel in der kurzen Zeit vom 20. Mai bis zum 10. Juni ein von ihm favorisierter Abschnitt, welcher die Salzwiesen hervorbringt. Sensorisch wird man durch die Pflanzen salzige, jodige, nasse, herbe, erdige als auch kräftige Aromen erfahren. Für die Ernte ist das Team höchst selbst verantwortlich.
Nach den Amuse Bouches eröffnet er also seine Sicht auf die Meereswelt mit einem Spaziergang durch „Unser Wattenmeer“ mit eben diesen Salzwiesengewächsen. Der Sockel aus den Auswüchsen benötigt durch den hohen Mineralwert und Jodgehalt kein zusätzliches Salz. Die Creme wird nach und nach mit dem Muschelfond auf die richtige Konsistenz und Geschmack gebracht. So erleben wir hier eine sehr wahrhaftige, ehrliche Küche, die für mich einen überaus gelungenen Einstieg darstellt.
- Die Salzwiesengewächse …
- … werden natürlich für jeden Gast ansprechend präsentiert.
- Beim Anrichten für die Gäste muss jeder Handgriff sitzen.
- „Unser Wattenmeer“ mit Salzwiesengewächsen
- „Unser Wattenmeer“ mit Salzwiesengewächsen
Im Wechsel wurden nun die Gerichte der zwei Protagonisten eingesetzt. Während des Schickens und vor allen Dingen beim Anrichten erlebte ich beide Chefköche bei Ihren Gängen immer höchst andächtig, fast schon angespannt. Sie waren jedoch immer Herr der Lage. Diese Phasen zwischen An- und Entspannung wechselten dann bei den kurzen Pausen, in denen der jeweilig andere das Zepter beim Anrichten übernahm.
- Paco legt natürlich mit Hand an.
- Jeder im Team weiß Bescheid, man hilft einander.
- Hier gleicht ein Teller dem anderen.
- Man ist fast fertig.
- Meeresodyssee
- Meeresodyssee
Gänzlich konträr wirkte der erste Gang von Paco, welcher mit seiner Meeresodyssee einen vollkommen anderen Stil zeigte. Hier hilft manchmal wirklich nur genaues Hinsehen, um zu erkennen, was er hier geniales fabriziert hat. Wie kleine Kunstwerke arrangiert er die Komponenten und bringt Farben wie ein Maler zum Einsatz. Er nutzt dabei auch unerwartete Texturen, die auf eine ungewohnte Art die Geschmäcker freigeben. Dem Gast wird sofort klar, dass wir eben nicht mehr das Thema Sylt, sondern die Gewässer im Mittelmeerraum thematisieren. Er schafft eine unverkennbare Darstellungsweise, welche noch mehr auf viele Handgriffe beim Anrichten setzt und trotzdem von einem gewissen Minimalismus lebt.
Dies war der erste Teil. Der zweite folgt bald auf Eurer Berliner Speisemeisterei.