Um es gleich vorweg zu nehmen. Dieser Film ist mit Abstand das Beste, was ich bisweilen auf einer Kinoleinwand in diesem Genre, nennen wir sie einfachhalber Food- Doku, sehen durfte. Solltet Ihr jemals die Möglichkeit haben, „noma – My perfect Storm“ auf einer möglichst großen Leinwand zu genießen, nutzt sie. Es ist quasi verpflichtend, schöner habt Ihr Food noch nicht erlebt.
Die zehnte Berlinale steht dieses Jahr ganz im Zeichen der Flüchtlinge und Migranten. Man möchte es kaum glauben, dieser Film handelt unter anderem auch davon. Nicht im Sinne der derzeitigen Flüchtlingskrise, sondern viel mehr im Sinne der ständigen Diskriminierung seiner Familie, da diese aus Mazedonien stammt. Das merkte er zum Beispiel bei der Wohnungssuche, welche ihnen enorme Probleme bereitet hatte, da für die Dänen sie lediglich muslimische Einwanderer darstellten, die daher massiv ausgegrenzt wurden.
So passt dieser Streifen auch zum Motto, welches hier „Make Food not War“ lautet. Im „Kulinarischen Kino“ geht es jedoch auch ums Essen. Für die einen mag die x-te Version von René Redzepis Aufstieg und dem Fall fast schon nervend sein. Ich empfand diese eindrucksvoll von Pierre Deschamps aufbereitete Variante als absolut bereichernd, wenn man es eigentlich nicht sogar schon als „State of the Art“ bezeichnen müsste. Gründe gibt es dafür viele.
„From zero to hero“
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Zum einen sind es die überwältigenden Bilder, welche den Zuschauer nicht nur in den Gedankenkosmos von Redzepi eintauchen lassen, sondern das Gefühl vermitteln, man sei sogar ein Teil davon. Die regionale Verwurzelung beginnt hier logischerweise inmitten der Natur, welche Deschamps mit atmosphärischen Kamerafahrten durch die Flora darstellt. Ist der Starkoch das Zentrum, so ist dieses satellitenartig umgeben von äußeren Einflüssen, die in seine Welt eindringen und diese maßgeblich beeinflussen. Redzepi ist stets auf der Suche nach den ursprünglichen Produkten aus seinem Umfeld und der kontinuierlichen Herausarbeitung der Nordischen Küche, welche sich so richtig ab dem Jahr 2003 aus der Tristesse entwickelt hat. Sicherlich war er nicht der erste, der dieses Konzept verfolgte, jedoch der einzige, der es derart erfolgreich in die Welt getragen hatte. Mit seinen höchst präzisen, analytischen Fähigkeiten und der Gabe, Dinge gerade auch verbal auf den Punkt zu bringen, ist er in der Lage sich und sein Team an die Spitze zu bringen. Das dafür notwendige Maß an Inspiration und Kreativität um sich regelmäßig als Speerspitze dieser Bewegung zu behaupten, ist selbst für Ihn recht schwer in Worte zu fassen.
Das er es entgegen der anfänglichen kritischen Stimmen aus dem Kollegenkreis geschafft hat, mit rein skandinavischen Produkten, Prominente nach Kopenhagen zu locken, um nur bei ihm einen Tisch zu bekommen ist umso bemerkenswerter. Vor allen Dingen, wenn man bedenkt, dass dieses Team vor der Ernennung zum „weltbesten Restaurant der Welt“ kein Reservierungsbuch führte und Abende mit lediglich 15 Gästen durchstehen musste. Er selbst findet solche „Hitlisten“ lächerlich, und kann sich dafür nicht bekennen. Trotzdem weiß er, dass er diesem Mysterium alles zu verdanken hat, hat sich doch mit dieser Auszeichnung alles in seiner Welt verändert.
Angekommen an der Spitze des Berges stellt sich natürlich die Frage, was danach kommen mag? Wenn es nicht mehr weitergeht, fällt es umso schwerer sich weiterhin so stark zu motivieren, dass man Gefahr läuft, sich nicht mehr zu entwickeln. Auch solche Momente fängt der Film sehr emotional und vor allen Dingen nah ein. Zum einen wird der Protagonist und seine Mitspieler mit extremen Close-Ups gezeigt, gerade dann, wenn Redzepi wieder mal seine Köche für die fehlende Sorgfalt tadelt und mündlich zurechtstutzt. Das fällt mal mehr mal weniger stark aus. Zum anderen wurde er mit einer GoPro- Kamera ausgestattet, so dass man ein Gefühl dafür bekommt, wie sich solches Arbeiten aus der Ich- Perspektive abfühlt.
Ebenso die Zulieferer kommen hier zu Wort, versorgen sie den Mazedonier doch mit den wichtigen Rohstoffen für seine Kochkunst. Nicht selten sind diese Sammler sehr betagt und erfahren in dem, was sie tun. So wird die Geschichte von einem betagten Pilzsammler gezeigt, der in den Wäldern meist viel zu viele dieser Bodenschätze aufsammelte, so dass der heimische Froster überquillte und die Gattin sich wohl zu recht beschwerte. Über eine Anzeige in der Zeitung fand er seine Abnehmer. Darunter war irgendwann auch René Redzepi anzutreffen, welcher diese Raritäten dankend abnahm.
Eine Perle ist zudem das wiederkehrende Event an jedem Samstag in der Woche den Köchen die Chance zu geben, eigene Gerichte vorzustellen, welche allesamt von jedem verköstigt und entweder kritisiert oder hier auch gerne anerkennend gewürdigt und gefeiert werden. Man muss dabei bedenken, dieses Happening findet am Ende jeder Woche nach dem Service, welcher hier stets ausgebucht ist, statt. Da wären wir normale Menschen eigentlich fix und fertig.
Eine Trendwende zeichnete sich 2013 ab. Einen regelrechten PR- Gau erlebten sie, als sich 63 Gäste mit dem Norovirus infizierten. Diese Nachricht verbreitete sich rasend schnell und sie wurden mit Email- Anfragen der eher unfreundlichen Art überwältigt. In zeitlicher Nähe dazu wurden Sie nach drei Jahren auf dem ersten Platz der 50. weltbesten Restaurants nur noch auf Platz zwei gehandelt, was wiederum ein Tiefschlag war. Jedoch hatte Redzepi auf einmal den für ihn erfreulichen Umstand genossen, dass alle Köche, die nur bei ihm arbeiteten, weil es das Number-One-Restaurant war. Auf diese „Arschlöcher“ konnte er sehr gut verzichten.
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So lernt der Betrachter dieser Dokumentation viele Facetten René Redzepis kennen und macht sich mit ihm zum Ende des Films auf den Weg zur Wiederbesteigung der Bergspitze, welche zudem sehr emotional und euphorisch ausfällt.
Dieser Streifen kommt im Mai/ Juni in die Kinos, wo genau, werde ich Euch natürlich mitteilen, insofern mir diese Informationen vorliegen. Im amerikanischen ITunes Store kann man ihn bereits ausleihen und anschauen. Bei Amazon ist dies ebenfalls der Fall.
PS: Die beste Art, seine Geschichte in buchform zu erhalten, ist es, „A Work in Progress: Notes on Food, Cooking and Creativity“ zu erwerben. Mit dem Konzept der dreiteiligen Kochbuchserie kreierte er erneut eine neuartige Herangehensweise bei der Kochbuchgestaltung.
„A Work in Progress: Notes on Food, Cooking and Creativity“
René Redzepi
Fotografie: Ditte Isager
Phaidon
London, 2013
636 S., gebunden, 45 EUR