Für heute steht wieder mal eine Buchbesprechung an. Bei dieser zieht es uns rein geografisch nach Köln, dort steht das Restaurant „Ox & Klee“, welches mit kulinarischen Genüssen auf Sterneniveau vom Küchenchef Daniel Gottschlich nebst Team aufwartet. Der 1982 in Troisdorf geborene Herdkünstler hat es im letzten Jahr geschafft, den für viele Köche begehrten Stern im Guide Michelin zu ergattern. Seine kulinarische Bandbreite stellt der 32- jährige nun in einem eigenen Buch dar, welches kürzlich verlagsfrei erschienen ist.
„Zehn4Zehn“
Daniel Gottschlich
Köln, 2016
184 S., Hardcover, 35,00 EUR
ISBN:
Das Vorwort stammt hier von Markus Klaas, dem Restaurantleiter vom Vendôme, in diesem wird Daniel Gottschlich als Talent mit vielen Begabungen umschrieben, welcher hin und wieder seine ursprünglichen Wege verlässt. Er selbst genoss laut diesen Zeilen keine Ausbildung in den hiesigen Sterneküchen dieses Landes oder war gar zig Jahre lang Souschef in zweiter Reihe bei einem Star wie Alain Ducasse. Er fing laut dem Kölner- Stadtanzeiger mit Bratwürsten auf der Karte an und entwickelte sich seitdem konsequent ohne aber jemals eine Sternebewertung auf der Agenda zu haben.
Vielmehr kann man dem Vorwort an Informationen nicht entnehmen. Er selbst stellt sich ebenso vor und umschreibt dieses Kochbuch als eine Rezeptesammlung der ersten vier Jahre, davon aber auch nur das Beste. Rezepte sind eigentlich nicht sein Lieblingstool, er setzt auf eine eher spontane Küche. Die Unterteilung findet im recht populären System der Jahreszeitengliederung statt. Frühling, Sommer, Herbst und Winter geben den Takt an.
„Besonders fein entwickelt sich der Geschmack von Ochsenfleisch als Tatar. Eine meiner ersten Kreationen, welche daher den ersten Platz in diesem Buch verdient hat.“
Über seine Kochphilosophie lässt sich an dieser Stelle als auch später nicht mehr herausbekommen. Ausgenommen von einigen Phrasen, welche im Buch zwischen den Kochanleitungen eingefügt sind, lässt man den Leser darüber im Dunkeln. Das ist ein Understatement, welches ich sicherlich eher begrüße, als wenn ich mich zuerst durch 20 Seiten Text durchblättern müsste, aber ein wenig mehr Input täte hier ganz gut. Vor allen Dingen, wenn man es denn mit solch einem ehr noch unbekannten Newcomer, wie diesen hier zu tun hat. Aber er wird schon noch genug für Gesprächsstoff sorgen, dessen bin ich mir sicher.
Kommen wir aber nun zum Hauptteil, den Gerichten.
Der Frühling hält einen sehr frischen Gang parat. Es handelt von einem Tatar aus Ochsenfleisch, welches zusammen mit einer Ochsenbäckchenpraline und Kleeessenz diese Jahreszeit wunderbar wiedergibt. Keine Hexerei, sondern lediglich der Umgang mit guten Produkten, die mit nachvollziehbaren Techniken gekonnt abgeschmeckt und in Szene gesetzt werden. Auch scheut er dabei nicht den Einsatz von Texturas, wie dem hier genutzten Xanthan, welches für die Bindung und die ganz spezielle Viskosität in der Kleeessenz sorgt. Das kann man heutzutage sehr gut am heimischen Herd umsetzen.
Etwas irritiert bin ich dann bei den beiden folgenden Gängen, welche jeweils im Frühling platziert, beide aber mit Komponenten ausgestattet sind, die sich meines Wissens jedoch in einer anderen Saison wiederfinden müssten. Bei der ersten Beilage handelt es sich um Albatrüffel, welcher sich ich aber bei genauem Nachlesen als „Bianchetti- Trüffel“ entpuppt. Ein Frühlingstrüffel, welcher wohl auch im März genossen werden kann. Da habe ich wieder etwas hinzugelernt.
Beim nachfolgenden Gericht, einem Maibock, hilft mir wieder das genaue Nachschlagen. Dieser wird nämlich mit Erdbeeren kredenzt. Die offizielle Saison für Erdbeeren aus Deutschland liegt Mitte Mai, so kann man den Einsatz wohl auch hier gelten lassen.
Die Gerichte sind in ihrer Darbietung stets modern angerichtet und arten nicht in hiesige Materialschlachten aus. Oft bestehen die Speisen aus nicht mehr als sechs Beilagen, wenn überhaupt. Er spielt zudem auch mit Elementen aus der asiatischen Küche, was man an der „Goldforelle“ mit Dashigelee, Yuzumayonnaise und -gel und Trompetenpilzen erkennen kann. Regionaliät ist also auch nicht sein Thema. Stattdessen setzt er auf ein sich selbst erklärendes Konzept. Das „Iberische Schwein“, welches aus einem geschmorten Schulterstück, Majoransauce, frischen Erbsen und Kartoffeltalern besteht, offenbart das recht deutlich.
Nur selten holt er etwas weiter aus und richtet einen Gang gleich auf zwei Tellern an, um beim Lamm das Kotelette, rosa gebraten, auf einem cremigen Kichererbsenpüree zu setzen und separat die Schulter auf einem Grünkernrisotto anzurichten. Genuss in zwei Etappen könnte man das nennen.
So scheint wohl seine Küche auf gutes und qualitativ hochwertiges Fleisch bzw. Fischgetier zu setzen. Lediglich zwei vegetarische Gänge, ausgenommen die Desserts, befinden sich in diesem Kochbuch.
Vom Umfang her birgt das Kochbuch „ZEHN4ZEHN“ insgesamt 20 Gerichte inklusive Rezepte. Dem schließen sich noch drei Jus- Rezepte und fünf Fondrezepte an.
Designtechnisch gibt man sich hier mit den Weißflächen recht großzügig. Die Textelemente folgen hier einem klar strukturierten Konzept. Dabei sind die Zutaten und Zubereitungen logisch aufgeteilt und in sich schlüssig. Lediglich bei der Schrift killt das Design die Funktion.
Ein Kochbuch möchte von mir im Zweifelsfall auch als solches genutzt werden. Dabei liegt es während des Kochens neben der Arbeitsplatte und sollte auch mit ein wenig Abstand noch lesbar sein. Diese serifenlose Schrift mit ihren 9- punktgroßen Zeichen ist es nicht. Ich muss wiederholt sehr stark auf Tuchfühlung mit dem Buch gehen, um mich beim Kochen wieder in das Rezept hineinzulesen. Diesen Trend habe ich ebenso bei einigen jüngst veröffentlichten Büchern entdeckt. Ich mag ihn nicht.
Die Bildsprache ist vor allen Dingen geprägt von Motiven mit Kunstlicht. Man spielt hier und da auch recht offensiv mit Licht und Schatten und erzeugt somit eine gewisse Dramatik, welche sich in meinen Augen hier und da zu düster zeigt. Die Verarbeitung des Buches ist grundsolide und lässt kaum Wünsche offen.
Fazit
Daniel Gottschlich ist hier eine ansprechende Momentaufnahme gelungen. Eine kreative ungezwungene Küche ohne für mich erkennbaren Schwerpunkt auf Komplexe wie Regionalität oder ähnlichem unterwirft sich hier offenkundig nur dem Credo, beste Qualitätsprodukte höchst abwechslungsreich anzubieten. Das funktioniert recht gut. Ich bin gespannt, inwiefern seine Rezepte vielleicht einmal einen etablierten Verlag interessieren, der mit seiner Erfahrung Daniel Gottschlich vielleicht auch in ganz andere Sphären katapultieren.