Die Zeiten in denen in recht kurzen Abständen Bücher von hochdekorierten deutschen Köchen auf dem hiesigen Buchmarkt erscheinen sind vorbei. Zwischen 2010 und 2013 brachte in fast jedem Quartal ein Sternekoch Deutschlands ein Kochbuch heraus. Das war einmal. Das qualitativ hochwertige Kochbuch aus dem „Haute Cuisine“- Segment war schon immer ein reines Nischenprodukt, wird nun aber hier kaum noch produziert. Will man sich Inhalten solcher Produktionen bedienen, muss man sich auf internationaler Ebene umschauen. Hierzulande traut sich wohl keiner mehr die 2- jährige Arbeit an so einem Buch mehr zu oder es scheint auch das Geschäftsrisiko der Finanzierung einfach zu hoch zu sein. Kochbücher dieser Art gehen nicht wie ein Werk von Jamie Oliver mit Stückzahlen von 100.000 und mehr Ausgaben an den Start, selten überschreitet die Auflage einen vierstelligen Wert. Da muss man schon sehr hart kalkulieren und auch eine sehr starke Motivation aufbringen.
Der Matthaes Verlag geht da derzeit einen Mittelweg und adaptiert immer häufiger Top- Titel aus dem Ausland. Die gesicherten Lizenzen werden dann für eine deutsche Version des entsprechenden Kochbuchs genutzt, das hat man zuletzt bei großartigen Werken wie von Yannick Alléno („Französische Küche“), Anne- Sophie Pic oder auch Peter Gilmore („Quay“) gesehen. Die Qualität war immer sehr nah am Original und stand deshalb dem Ursprungswerk in nichts nach.
“Manresa”
David Kinch
Photographie: Eric Wolfinger
Matthaes Verlag
2015, München
336 S., gebunden
69,90 €
ISBN: 978-3875154061
So übersetzten sie auch dieses Mal „Manresa“ von David Kinch, welches in der Originalfassung im Oktober 2013 erschien, ins Deutsche. David Kinch, geboren in Pennsylvania – USA, startete in Kalifornien mit dem Restaurant „Manresa“ sein Leben in die Selbstständigkeit. In einem alten leer stehenden Gemeindehaus in Los Gatos fand er seine erste eigene Wirkungsstätte, das liegt nun 13 Jahre zurück. Für seine Art zu kochen spielt die Verarbeitung von hochwertigen Lebensmitteln eine zentrale Rolle. Gerade aufgrund seiner Motivation, sich von den anderen Top- Restaurants abzuheben, plante er recht schnell, sich sein Gemüse in Eigenregie anzubauen. Nur so konnte er auf Artikel zurückgreifen, welche den anderen an den genutzten Ständen auf dem Markt verwehrt blieben. Die Kooperation mit Cynthia Sandbergs „Love Apple Farms“ schuf ebenso eine weitere Basis für die vielfältige Küche des Manresas.
„Wieso sollte es nicht möglich sein, mit einer Speise ein bestimmtes Stück Land zu repräsentieren und damit an den großen Aufwand zu erinnern, der in die Produktion der Erzeugnisse investiert wird, die wir in der Küche des Manresa verarbeiten und die uns eine tägliche Inspirationsquelle sind?“
Und tatsächlich ist dieses Buch anfänglich sehr gemüselastig und man beschäftigt sich zuerst mit der Aufarbeitung der erfolgreichen Zusammenarbeit mit C. Sandberg. Der Teller „Im Gemüsegarten“ besteht aus insgesamt 7 kleineren Komponenten (1. Erde, 2. Wurzeln (Pürees von Wurzelgemüse; Gemüse; Kräuteröle), 3. Gegartes (herzhaft geschmortes Gemüse), 4. Rohes (zartes Blättchen und Triebe; auch fein gehobeltes junges Gemüse, sogar Tomaten), 5. Blüten und Samen, 6. Tau), denen er sich hier sehr ausführlich widmet. Diese von ihm auch als „Essbare Spiegelung“ benannte Speise umfasst in ihrer Beschreibung auch ein Interview mit der Betreiberin Sandberg.
„Erneuerung ist nicht gleich Neuerfindung. Wenn man sich neu erfinden muss, dann stimmt etwas nicht.“
Der Inhalt dieses Kochbuches ist in verschiedene Kapitel segmentiert. Jeder Teil unterliegt dabei einem Hauptthema, welche sich darauf beziehende Rezepturen beinhaltet.
Kapitel 1 · Wie ich Cynthia Sandberg kennenlernte
Kapitel 2 · Hommage an das Ei
Kapitel 3 · Eine essbare Spiegelung
Kapitel 4 · Erneuerung
Kapitel 5 · Der Pazifik als Muße
Kapitel 6 · Kreation einer Speise: 1, 2, 3
Kapitel 7 · Zusammenstellung des Menüs
Kapitel 8 · Kreativität und Technologie
Kapitel 9 · Bar und Weinkeller
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Im Kapitel 4, welches sich gänzlich um die stetige Entwicklung der Speisen dreht, erfährt der Leser von David Kinch, dass er nichts auf Inspiration aus dem Internet gibt, sondern es lieber vorzieht auf Reisen zu gehen um sich persönlich einen Eindruck von noch unbekannten Zutaten für neue Ideen auf dem Porzellan zu machen. Eine wichtige Antriebsfeder sind dabei auch die Mitarbeiter, die offensiv dazu ermutigt werden, ihren Teil zu diesem Prozess mit eigenen Eingebungen zuzusteuern. Es gibt Gerichte auf der Karte des Manresa, welche seit Bestehen des Lokals auf der Karte immer wieder auftauchen, jedoch immer in einer erneuerten Version. D. Kinch hegt dabei einen großen Anspruch an die Mitarbeiter, so schreibt er in diesem Buch:
„Ich erwarte von allen, dass sie sich ihre eigene Meinung gebildet haben und diese auch aussprechen. Und ich verlasse mich darauf, dass sie sich eine eigene Meinung gebildet haben und diese auch aussprechen. Und ich verlasse mich darauf, dass die Person, die den Spargelsalat im vergangenen Monat verarbeitet hat, eine bessere Vorstellung davon hat, wie man die Speise umwandeln könnte als ich – sowohl logistisch als auch geschmacklich.“
Das autarke Arbeiten wird bei allen angestellten Köchen im Manresa nicht nur gewünscht sondern vorausgesetzt um die Erneuerung erst zu ermöglichen.
Die weiteren Abschnitte sind ähnlich der ersten aufgebaut und beinhalten stets ausführliche Gedanken zu den angesprochenen Komplexen, welche vielen angehenden Meisterköchen oder ambitionierten Profis das Handeln und Tun D. Kinchs verständlich näher bringen.
Auch für Fans des „Liquid Foods“ gibt es hier eine eigene Sektion. Sehr kreative Cocktails liegen hier nebst Bild mit der vollständigen Rezeptur vor.
Man hat bei der Fotografie viel Wert auf Natürlichkeit und Ästhetik gelegt. Die unverfälschten Farben kommen auf dem gewählten Papier wunderbar zur Geltung. Verantwortlich dafür zeichnet sich Eric Wolfinger. Auch das Design der Texte und Rezepte ist übersichtlich, gut lesbar und funktional.
So ist es natürlich ernüchternd, dass die hier besprochenen Produkte und Lebensmittel aus der Region in und um Kalifornien in Deutschland wohl weniger zu haben sein werden und die originalgetreue Umsetzung der verschiedenen großartigen Gerichte schon deswegen nicht machbar sind, ein großartiges Kochbuch samt unterschiedlichster, durchdachter Gerichte mit Wiedererkennungswert hält man aber allemal in den Händen. Denn eine Adaption war schon immer viel besser als eine Kopie.