Katalog 6
Der letzte Katalog beinhaltet eine reine Rezeptezusammenstellung aller Jahrgangsmenüs und hat obendrein eine weitere Steigerung in der Qualität der Bildsprache zu bieten. Hier ist das Menü 2010 und 2011 in einem Band zusammengefasst. Er ist deswegen auch umfangreicher als die bisherigen Jahrgänge. Die abnorme Kreativität ist wiederum nur schwer zu beschreiben, sind auch diese Gerichte allesamt immer sehr abstrakt und die Produkte teilweise nicht oder nur schwer wiederzuerkennen. Soja Streichhölzer, eine Mozzarellasuppe aus gefrorenem Mozzarellapuder oder ein Eis- Millefeuille mit Soja und Wasabi aus hauchdünn gefrorenen klaren Eisplatten. Ein Risotto von Brombeeren, welche nach dem Schockfrosten in die einzelnen Zellen zerstoßen und danach in einer eigenen Sauce dem Gast kredenzt werden. Präzision und die absolute Unvoreingenommenheit bei ungewöhnlichen Kreuzungen sind zwingend erforderlich um Speisen wie eine „Erdbeer und Essigtarte“, „Sake Schnee mit Matcha Tee, Yuzu und Schokolade“ oder einer „Frühlingsblütenrolle“ zu entwerfen. Vor allen Dingen die Desserts haben mir es in den letzten Büchern angetan. Bis hierhin wird nirgends die Prozedur der entsprechenden Garmethoden oder der benötigten Gerätschaften erklärt.
“elBulli 2005-2011”
Ferran Adrià, Juli Soler, Albert Adrià
Phaidon, 2014
Ferran Adrià, Juli Soler, Albert Adrià
Phaidon, 2014
2720 S., gebunden, 525,00 €
ISBN: 978-0-714-8654-85
Katalog 7
Das ändert sich im letzten und größten Buch der Reihe. Es trägt den Namen „Evolutionäre Analyse“ und beinhaltet so eigentlich alles, was man wissen muss, um die Umsetzung der Rezepte zu ermöglichen. Natürlich geht der Praxis eine Menge Theorie voran. Die Organisation der besprochenen Jahre wird hier veranschaulicht und angemessen wie spannend aufbereitet.
History of a dish
IN THE WORKSHOP
Ideas sought
Ideas developed
Ideas validated and recorded on fact sheets
AT ELBULLI
Dishes delevoped from fact sheets
Dish analysed and validated
Dish included on the menu
Dish entered into catalogue
Dabei spielt auch das Internet eine nicht unerhebliche Rolle für Ferran Adrià. Regelmäßig bezieht er Informationen aus Journalisten Blogs, Restaurant Webseiten, Produkt Informationen oder auch Gastronomieführern. Die klassischen Wege der Inspirationsfindung, nämlich dem Essengehen oder der Austausch zwischen Kollegen, werden ebenso genutzt. Aber brachte doch am Ende des Tages das Reisen für ihn mit die meisten Eingebungen.
Das Gefriertrocknen wird sehr umfänglich erklärt, angefangen bei der Frage, wie es überhaupt in die Küchen gelangte bis hin zu den unbestreitbaren Vorteilen dieser Handhabungen.
Infusionen durch das Vakuumieren oder das Dehydrieren sind zusätzlich anzufinden. Eine praktische Hilfe sind die Querverweise durch die Indexierung eines jeden Rezeptes, welche mit einer eigenen vierstelligen Nummer ausgestattet sind, sie steigern die Funktionalität ungemein. Ich mag mir die lange Sucherei nicht vorstellen wollen, wäre man diesen Weg nicht gegangen.
Um diese Gerichte zuzubereiten, benötigt man neben der Zubereitungsanleitung genauso die Lebensmittel. Diese sind allesamt nicht leicht bzw. in Deutschland für den Endverbraucher nur schwer zu bekommen. Ratsam ist bei der Anschaffung natürlich auch die Produktkenntnis. Als weitere Unterstützung bei solchen Angelegenheiten hat man auf insgesamt 48 Seiten sich hier die Mühe gemacht, hunderte Produkte aufzulisten und in einer mittelgroßen Vorschau darzustellen.
Sogar die Produktion von individuellen Silikonmulden wird hier anschaulich erklärt. Man kann nach diesem „Do it yourself“- Schema beispielsweise aus Erdnüssen und Silikonmasse recht einfach Formen und schlussendlich künstliche Erdnussschalen herstellen.
Möchte man sich detailliert über die Anwendung diverser Texturen wie Xanthangummi informieren, wird zu jeder eingesetzten Komponente der Sinn, warum dieses oder jenes Pulver überhaupt Verwendung findet, der Einsatz an sich und bei welchen Gängen es in den einzelnen Büchern gebraucht wird, dokumentiert.
Abschließend widmet sich das Buch dem letzten Gang, welcher unmittelbar vor der Schließung des „elBulli“ serviert worden ist. Man überlegte lange, welche Nummer es erstens im Katalog sein wird und zweitens, was man eigentlich zaubern wollte. Heraus kam eine Hommage an Auguste Escoffier, einer der größten Köche der klassischen Haute Cuisine. Sein Geburtsjahr, 1846, wählte man als Index- Nummer aus und heraus kam ein Desserturgestein. „Pfirsich Melba“ wurde neu aufgebaut und die Einzelrezepte erstrecken sich auf über sieben Seiten. Ein würdiger Abschlussgang und auch ein gelungenes Ende für dieses Buch über ein Projekt, welches so nicht wiederkommen wird. Eine Kaufempfehlung ist dieses Buch für jeden Profikoch, welcher den Umgang mit diversen Texturen auf verschiedenste Weise ausprobieren möchte. Der Einsatz zu Hause ist mit Sicherheit fraglich, jedoch wird es sicherlich hier und da den Weg in die Haushalte finden.
Zum 1. Teil der Buchbesprechung
Zum 2. Teil der Buchbesprechung