Im letzten Jahr verließ Roland Trettl die heiligen Hallen des „Restaurant Ikarus“. Es liegt nun an Martin Klein diesen kulinarischen Entwurf weiter zu führen. Zusammen mit Eckart Witzigmann, dem Jahrhundertkoch, zieht er gegenwärtig die Fäden in dieser Salzburger lukullischen Hochburg. Ständig unter Strom und immer am Ball war Trettl an so vielen Schauplätzen zu sehen. Hat es Martin Klein in seinem ersten Jahr geschafft, dieses Niveau zu halten? Betrachtet man das nun veröffentlichte Buch, dann hat man daran keinen Zweifel.
Das einzigartige Programm im Ikarus sucht ja seit jeher seinesgleichen. Insgesamt 11 verschiedene internationale Köche sollen eine kulinarische Momentaufnahme der aktuellen weltweiten Trends im Hangar-7 widerspiegeln.
„Die Weltköche zu Gast im Ikarus – Maibock mit Bete und Schokolade“
Martin Klein
Photographie: Helge Kirchberger
Pantauro
2014, Salzburg
312 S., gebunden, 76,00 €
ISBN: 978-37105-0003-9
Wie läuft eigentlich solch eine Zusammenstellung ab? Wer bestimmt dieses elitäre Potpourri? Mit dem Ruf, den dieser Schauplatz derzeit genießt, mag es sein, dass sich einige hochbegabte Köche für solch ein Gastkochen bewerben, gleicht doch ein Schaulauf in diesen heiligen Hallen quasi einem Ritterschlag. Aber zu allererst stellt sich der Executive Chef selbst für das Jahr seine persönlichen Favoriten zusammen. Diese letzte Liste kam also von Martin Klein, der nicht erwarten kann, dass gleich jeder von ihm benannte Koch zusagt, ist es doch mitunter eine logistische Meisterleistung all jene verschiedenen Ausnahmeköche unter einen Hut zu bringen. Springt einer kurzfristig ab oder möchte gerne seinen Besuch um zwei Monate verschieben, bringt das die ganze Planung durcheinander.
Außerdem gehört es zum guten Ton, dass sich Martin Klein auch persönlich vor Ort ein Auge von der Kochphilosophie eines jeden macht. Das möchte auch für ein ganzes Jahr vorbereitet werden. Und ganz nebenbei zeichnet sich diese Persönlichkeit auch noch für das Tagesgeschäft sämtlicher Gastrokonzepte im Hangar 7- Komplex verantwortlich. Dazu gehört ein Frühstückskonzept im Carpe Diem Lounge-Café, welches auch tagsüber Speisen bereithält, die Mayday Bar mit internationalen Bar-Food-Gerichten, die Hangar-7 Outdoor Lounge, hin und wieder auch Caterings und schließlich noch das Restaurant Ikarus.
Es bedarf also einem sehr gut abgestimmten Team und akribischer Planung. Ob das alles im ersten Anlauf gut über die Bühne gegangen ist, kann im ersten resümierenden Band der interessierte Leser selbst erfahren. Mit dem Titel „Die Weltköche zu Gast im Ikarus – Maibock mit Bete und Schokolade“ bringt der eigens neu von Red Bull gegründete Pantauro Verlag in diesen Tagen das erste Buch heraus. Der ursprünglich vom Verlag Collection Rolf Heyne unter dem Namen „Kulinarische Überflieger“ vertriebene Titel wurde konzeptionell neu aufgearbeitet und mit so einigen nicht nur optisch unterschiedlichen Ansatzpunkten generalüberholt.
„Nicht die Erwartungen anderer führen zu Spitzenleistungen, sondern der Anspruch an sich selbst. Die Ernsthaftigkeit der Arbeit, die Liebe zum Detail, das Bewusstsein für Qualität.
Herausragen kann nur der, der sich selbst der strengste Kritiker ist.“ Dietrich Mateschitz
Ein Vorwort von Eckart Witzigmann öffnet auf den ersten Seiten dem Leser Tür und Tor zu den zu entdeckenden Highlights. Hier geht es um nichts Geringeres als die Bündelung von kulinarischen Großmächten verschiedenster Kontinente. Die Liste der Halbgötter in weiß liest sich für das Jahr 2014 wie folgt:
Bart de Pooter | De Pastorale – Rumst-Reet / Belgien
Jannis Brevet | Inter Scaldes – Manoir Restaurant Inter Scaldes / Niederlande
André Chang | Restaurant André – Singapur
Paco Pérez | Restaurant Miramar – Llança / Spanien
Alexander Gauthier | La Grenouillière- La Madelaine-sous-Montreuil / Frankreich
Ana Roš | Restaurant Hiša Franko – Kobarid / Slowenien
Rodolfo Guzmán | Boragó – Santiago de Chile / Chile
Magnus Ek | Oaxen Krog – Stockholm/ Schweden
Sat Bains | Restaurant Sat Bains – Nottingham / Vereinigtes Königreich
Ikarus Team | Restaurant Ikarus im Hangar-7 – Salzburg / Österreich
Matthew Lightner | Atera – New York / USA
Jesper Kirketerp & Rasmus Klim | Restaurant Radio – Kopenhagen / Dänemark
[ready_google_map id=’2′]
Die Karte veranschaulicht sehr gut, dass einem im vergangenen Jahr so ziemlich alles an spannenden Schwerpunkten auf der ganzen Welt geboten wurde. Gestartet wird in Belgien. Der mit zwei Sternen im Guide Michelin und 18 Punkte im Gault Millau ausgezeichnete Chefkoch aus dem Restaurant Pastorale hat die schwere Aufgabe, die Saison zu eröffnen, ergo das Maß für die Nachfolgenden zu setzen. Was sofort beim Blättern durch die ersten Seiten, welche man aufgrund des dokumentarischen Stils getrost „Behind the Scenes“ nennen könnte, auffällt, ist der neue Stil, den Porträtierten zu präsentieren.
Hier bemerkt man sofort an der Haptik das schön griffige Papier, welches durch diese raue Oberfläche die einzelnen Kulissen seiner Welt wunderbar unaufgeregt und authentisch darlegt. Einzelne Detailaufnahmen und Anrichtevorgänge geben dem Leser sehr ansehnliche Impressionen. Unterfüttert wird dieses durch eine Seite voller Statements des Protagonisten.
„Ein Essen muss sich aufbauen. Ich fange nie mit einem Paukenschlag an. Bei mir muss die Linie stetig ansteigen. Kochen ist für mich unendliches Lernen und nie endende Evolution“ Bart de Pooter
Sein 7- Gang Menü, welches mit zwei vorangehenden Amuse Bouche vorgestellt wird, leitet den Rezeptteil ein. Dieser Part setzt wieder voll auf den Hochglanzeffekt. Durch das großformatig gestaltete Buch stellen sich die Gerichte noch eindrucksvoller dar. Im Gegensatz zur bisherigen Reihe, wählt man sogar eine leichte Vergrößerung der Gerichte und setzt dezent Unschärfeeffekte bei den Bildern ein, ohne dabei zu sehr vom eigentlichen Fokus abzulenken. Knallige aber nicht übersättigte Farben mit knackigen Kontrasten und Licht-/Schattenspielen für die man Helge Kirchberger wieder beauftragte, runden das Layout ab. Alles wirkt sehr durchdacht und ausgereift und deshalb absolut stimmig. Mit dem unverkennbaren Seitenanschnitt in rot, hat man den Köchen sogar einen purpurnen Teppich ausgerollt.
„Ich mache keine verrückten Dinge. Die Gäste, die hierhin kommen, wissen immer,
woran sie sind, was für eine Küche ich führe. Das gibt ihnen eine gewisse Sicherheit. Bezugspunkte sind nun mal wichtig.“ Jannis Brevet
Was man auch von den hier gezeigten Rezepten sagen kann. Die Gestaltung und der Aufbau ist funktionell und in sich schlüssig. Alle Angaben wurden strikt in Gramm und nicht mit Volumenmaßen versehen. Die häufigsten Messfehler sind somit auch fast ausgeschlossen. Stellt sich hier die Frage nach der Möglichkeit der Adaption in den heimischen vier Wänden.
Es wäre natürlich verwegen, den Anspruch zu erheben, man könne mit diesem Buch von den besten Köchen dieses Planeten so ohne Weiteres deren Kompositionen nachkochen. Würde man das gewährleisten wollen, müsste man so einige Hilfsmittel streichen, so würde man quasi dem Maler die Farben neben. Das Ergebnis wäre natürlich nicht annähernd so erstaunlich und längst nicht einzigartig.
In der Tat kommen nämlich hier natürlich Gerätschaften wie der Sous-Vide Garer, die Espumaflasche, der Dampfgarer und wie immer der Pacojet zum Einsatz. Genauso werden viele der Produkte erst recht nicht zu beschaffen sein. Ferne Herkunftsländer sind da die Hürde, ebenso vermutlich auch der Anschaffungspreis. Der dürfte aber auch bei den vielen verfügbaren Luxusartikeln, mit denen hier nicht gekleckert wird, recht hoch sein. Einzig und allein die Qualität der Top- Produkte steht hier im Vordergrund. So werden alle 60 aufgeführten und rezeptierten Gerichte der 12 Gourmetköche aufgemacht, allesamt auf gleichem sehr hohem Qualitätsniveau.
Im Restaurant Ikarus zeigt man also übers Jahr eine enorme Bandbreite grundverschiedener Kochphilosophien, welche letztendlich später in diesem Band Platz finden. Diese Wirkungsstätte vermag deshalb für nicht wenige Köche der beste Arbeitsplatz der Welt sein. Wer nicht die Gelegenheit hat, dort anzuheuern, sollte sich aber als Ersatz dieses Buch zulegen, dieses Jahresbuch hat es in sich und ist ebenso ein „Must- have“ für alle ambitionierten Heimköche. Die dafür aufzurufenden 76,00 € sind ein absolut angemessener Preis.
Hinweis der Redaktion
Ein Teil der besprochenen Produkte wurden von Unternehmen zu Testzwecken zur Verfügung gestellt.