Lange habe ich diese Kochbuchrezension aufgeschoben. Das lag zum einen daran, dass dieses Buch voller Vorfreude erwartet wurde und mich doch zunächst sehr enttäuscht hatte. Ich hatte diese Erfahrungen hin und wieder bei anderen Büchern gemacht, und tat gut daran sie erstmal wieder ins Regal zu legen.
„The Wizard`s Cookbook“
Ronny Emborg
Photographie: Signe Birk
Grafikdesign: Bonnelycke mdd
2013
392 S., gebunden, 499,- DK
ISBN: 978-87-996520-1-3
Aus diesem Frust entsteht ab und zu ein arg verzerrtes Bild, so entschloss ich mich, später erneut die Besprechung anzugehen. Mit diesem Abstand und einigen angeregten Auseinandersetzungen mit Kollegen, habe ich mich nun diesen Seiten sehr ausgiebig gewidmet. Derzeit ist dieses Buch für den Preis von 499 DK zu haben, ordern kann man es über einen Dänischen Kochbuchshop, welcher online Bücher dieser Art verschickt. Via Amazon ist dieser Titel nicht erhältlich. Glücklicherweise bekam ich einen Titel von einer Bekanntschaft aus der Kochbuchecke bei Facebook importiert.
„The process of creating is always interesting. Nothing happened suddenly.“ Ronny Emborg
Das Buch ist rein optisch ein dicker Wälzer und suggeriert so schon einen opulenten Inhalt. Dieses Kochbuch beinhaltet Gänge des Jahres 2008 bis 2013. Sage und schreibe 112 Gerichte werden hier dargestellt. Jedes davon mit Fotos, teilweise auch im „Step by Step“- Verfahren.
Zu Beginn wird in der Einleitung auch sogleich klargestellt, dass sich der Inhalt vor allem an die professionellen Köche richtet. Das liegt wieder mal an der Ausstattung, die notwendig ist, um all das zu realisieren. Aber seine Küche ist absolut hochtechnisiert, das wird man später noch feststellen. Ronny Emborg ist hierzulande ein unbeschriebenes Blatt, ich möchte meinen, bevor mir dieses Buch ans Herz gelegt worden ist, noch nie etwas von ihm gehört zu haben. Für welche Küche steht er nun, folglich gibt diese Antwort auch einen Hinweis, was man in diesem Buch nun erwarten darf.
Ein „Kulinarischer Ambassadeur“ namens Kristian- Brask Thomsen umschreibt ihn als den skandinavischen Keanu Reeves der Küche. Er fügt an, dass er eine ruhige, demütige Haltung an den Tag legt und dabei enorm auf das Wesentliche fokussiert ist. Er sei ein kulinarisches Schwergewicht und sein Stil sei gar nicht zu umschreiben, ein neues Wort müsse erfunden werden. Die New York Times half bei der Suche und nannte es „Neomolecularsensorynordic“.
Diese Beschreibung erst einmal links liegenlassend, widme ich mich nun dem tatsächlichen Inhalt, und der offenbart sich mir mit dem Entstehungsprozess der der gesamten Arbeit. Einige wichtige Punkte der Speisengestaltung werden genau definiert. Beginnend bei der offensichtlichen Präsentation, über die Aromatik, das Gesamterscheinungsbild, die einzelnen Texturen, dem Geschmack und letztendlich der gesamte Teller. All diese Abschnitte werden bei Emborg bewusst durchlaufen, hier will nichts dem Zufall überlassen werden. Es ist die Rede davon, dass schon fast fertige Zusammenstellungen kurz vor „dem Finish“ wieder verworfen worden sind, man ist da wohl sehr kompromisslos.
Eine weitere Seite danach folgt die erste ungewöhnliche Impression. Zu sehen sind verschieden farbige Tücher in gläsernen Töpfen. Sie beherbergen alle einen einzigartigen Duft, jeder Gang eines Menüs wird so repräsentiert. Die Tücher sind getränkt in einer Essenz der jeweiligen Gerichte und sollen so eine Art Landkarte bzw. Orientierungspunkt darstellen, der so zu mehr Überblick verhelfen soll.
„Wenn man nichts mehr bei einem Gericht weglassen, ist es das perfekte Gericht“, heißt es oft bei Gastrokritikern. Hier wird es auf die Spitze getrieben. Der Minimalismus ist dominant. „Zuckerschoten und Zitronen- Verbeneöl“ leitet den Rezeptteil ein. Auch unter dem Namen Kaiserschote bekannt wird diese hier mit dem Gemisch aus Sonnenblumenöl, Blattpetersilie und Zitronen- Verbene gefüllt. Die Infusion wird über eine Nadel in die Schote gespritzt wird. Abschließend stellt man von gefriergetrockneten Zuckerschoten noch Pulver her, welches außen aufgetragen wird.
Ähnlich limitiert geht es bei weiteren Gerichten von Emborg zu, wie bei den „Neuen Buchenzweigen und Essigpulver“. Die Buchenzweige frittiert man und anschließend werden sie in einer Mischung aus Essigpulver und Malto bestäubt, that`s it.
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Diese Darbietung mag zwar bei vielen als vollwertiges Gericht zählen, ich
persönlich würde aber nicht soweit gehen. Weitere Beispiele für solche Interpretationen ziehen sich durch das ganze Buch. Um ein Weiteres zu nennen, komme ich um die „Rohen Pilze“ nicht herum. Man entfernt den Dreck von hier nicht weiter beschriebenen „mushrooms“, schneidet diese sehr dünn auf und sticht
diese gleichmäßig aus. Zu einer Rosette ausgelegt werden diese nun vakuumiert und anschließend mit auch rezeptierten „Pilzpuder“ bestäubt. So weit so bekannt. Natürlich bleibt es dem Leser unbenommen, später diese Zubereitungen als Bestandteil eines umfangreicheren Gerichts einfließen zu lassen, doch wirbt man auf der Homepage mit dem Erwerb von 112 Gerichten.
Es gibt natürlich auch weitaus komplexere Veranschaulichungen seiner Küche.
„Kamillemousse, Sauerampfergranité und Milchgel“ sind ein schönes Beispiel dafür. Hier wird Milch als Träger in Form einer Folie benutzt um ein Kamillemousse zu umhüllen. Dazu wird das gekratzte Granité vom Sauerampfer aufgetischt und Limonenzucker gereicht. Ein sehr stimmiges Gericht, welches wirklich die Lust auf`s Nachkochen weckt. Ausstattungstechnisch setzt man hier einen Thermomix voraus.
Auch der „Kabeljau, luftigem Eiweiß, Federkohl und Estragon“ überzeugt mit gar einzigartigem und für meine Begriffe auch mutigem Kombinieren von Geschmäckern. Doch hat man hin und wieder das Gefühl, man hätte das ein oder andere Gericht schon ein paar Seiten vorher gesehen.
Die Funktionalität ist hier gegenüber so manch anderen Büchern hervorzuheben. Sie orientiert sich dabei stark an dem Ablauf beim tatsächlichen Herstellen in einer professionellen Küche indem es umfangreichere Zubereitungen in kleine Unterrezepte aufdröselt und diese so sinnvoll und auch arbeitsorientiert zerlegt. Die einzelnen Schritte hingegen sind sehr rar an Informationen und setzen ein grundlegendes Verständnis der Speisenbereitung voraus.
Ein absoluter Hochgenuss ist die Photographie. Signe Birk hat hier ganze Arbeit geleistet. Der puristische Stil wurde wunderbar getroffen. Dezente Grautöne stehen wunderbar im Kontrast zu den perfektionistisch anmutenden Tellern. Verschiedene Perspektiven lockern die Armada der vorgeführten Kochkünste auf und bieten immer wieder attraktive Haltepunkte fürs Auge. Das ist durchgehend von hochwertiger Qualität. Sowas sieht man bei heimischen Produktionen leider nicht sehr oft aber hier ist wirklich alles wie aus einem Guss. Designtechnisch zeigt man sich hier auch recht schlank mit einer sehr modernen, dünnen Schriftart. Es wirkt alles recht übersichtlich und man findet sich schnell zurecht. Alles ist da, wo man es erwartet.
Positiv anzumerken ist das doppelte Rezeptregister. Oft hat man doch all die Namen der Gänge nicht im Kopf aber schwebt einem das Bild vor Augen. Mit diesem Wissen kann man nun, wie auf einem Foto- Index im angefügten Rezeptregister via sehr kleiner, briefmarkengroßer Abbildungen das gesuchte Gericht finden. Ein großer Pluspunkt, gerade bei Büchern mit so viel Inhalt.
Mein Fazit lautet also wie folgt. Hier hat man wirklich ein gutes Buch für einen auch angemessenen Preis erworben, wenn man kein Problem damit hat, dass so manche der angepriesenen Gerichte aus lediglich ein bis zwei Komponenten bestehen und viele der Gerichte sich von der Machart sehr ähneln, was nicht zwingend ein Problem darstellt, aber auf die Dauer für den einen oder anderen Leser schon eintönig wirken kann. Je mehr man aber Umgang mit dem Buch hat, und sich auf seine Art zu kochen einlässt, umso mehr macht dieses Buch Spaß,. So ergeht es mir immer mehr, das kann man fast schon als ambivalent einstufen. Es ist also Jammern auf hohem Niveau.
Wer noch mehr Eindrücke braucht, ist bei der Gallery von Ronny Emborgs Homepage genau richtig. Dort sind noch sehr viel mehr seiner auch im Buch gezeigten Gerichte.