Vor einiger Zeit befasste ich mich hier mit der Auseinandersetzung der amerikanischen Küche. Es gibt derzeit viele Bestrebungen von der „Neuen Welt“, diese Küche wieder aufleben zu lassen. Mit seinem ersten und soeben herausgegebenen Buch “COI: Stories and Recipes” hat Daniel Patterson, der Chefkoch im gleichnamigen Restaurant ist, eine kulinarische Reise in seine vergangenen sieben Jahre dokumentiert. Ging es in der letzten Buchbesprechung um die amerikanische Ostküstenregion nahe New York, spielt sich der wesentliche Teil in diesem Werk in Kalifornien ab.
“COI – Stories and Recipes”
Daniel Patterson
Fotografie: Maren Caruso
Phaidon, 2013
304 S., gebunden, 45,00 EUR
ISBN: 978-0-7148-6590-4
Daniel Patterson ist in Massachusetts geboren und begab sich sehr häufig auf Trips nach Europa, speziell Frankreich. Im Alter von 14 begann er als Tellerwäscher zu arbeiten. Als Sohn einer Französisch- und Geschichtslehrerin sowie einen Rechtsanwalt als Vater war für ihn vermutlich ein anderer Weg vorgesehen. Doch er bemerkte recht schnell auf dem College, das er sein Geld in gekachelten Räumen mit unerträglicher Wärme und Stress verdienen möchte. Er zog danach nach San Francisco. Gleich zu Beginn des Buches beschreibt er die ersten visuellen Eindrücke, welche ihn sofort in den Bann nahmen:
“I arrived in the early fall to find rolling, dust- brown hills scattered among towns and highways, and later watched the winter rains turn them glowing, verdant green. I saw the endless dreary suburban sprawl of the cities east of San Francisco, the worn, ghost- ridden haunts of North Beach and the cold, unsettled sea that roiled under a sky that was vast and wide.
I never expected to stay, but I found it hard to leave this place, with its strange, mysterious beauty”.
Er fing einen Monat später in einem mittelpreisigen Bistro an zu schaffen, und lernte dort auch seine erste Frau kennen. Es zog sie weiter nach Somona, wo er dort nach drei weiteren Jahren sein erstes Restaurant eröffnete. Dort konnte er jenseits der Großstädte seine Erfahrungen als junger “Chef” sammeln: z. Bsp. kennen lernen, was es heißt, sich mit den Zyklen der Pflanzen auseinanderzusetzen, kennen lernen, wie wild wachsende Zutaten Anwendung in seiner Küche finden können und um durch den unmittelbaren und sehr direkten Austausch mit den Farmern und Ranches freundliche Netzwerke aufzubauen. So wurde er gleich zu Beginn direkt damit konfrontiert, seinen ganz persönlichen Stil herauszuarbeiten. Die meisten Gesellen stellen sich viele Jahre unter den Scheffel mehrerer Großmeister ihres Fachs, um dann durch den so gewonnenen Erfahrungsschatz ihren eigenen Weg zu gehen. Daniel Patterson tat dies nicht.
Durch dieses autodidaktische Erlernen des Kochhandwerks, welches er so betrieb, bildeten sich so natürlich eher selten Grenzen oder Barrieren, welche durch traditionelle oder konventionelle Ansichten der Kochkunst oft die Sicht für unverkrampftes Kochen versperren. So musste er seinen kreativen Fluss nicht unterdrücken und konnte sich frei entfalten je mehr er sich durch die verschiedensten Erfahrungen, die er in Kalifornien sammelte und so eindrucksvoll hier beschreibt, prägen konnte. Er selbst versteht dieses Buch auch nicht als Kochbuch sondern als die Geschichte über “COI”, beschrieben durch das Essen.
Um den Leser das Metier des “COI” näher zu bringen, startet Daniel Patterson mit einer eher unüblichen Herangehensweise. Das was bei vielen Büchern als Beiwerk auf den hinteren Seiten geboten wird, stellt er vor allen anderen Dingen klar. Die Struktur in seiner Küche wird hier in jeglichen Einzelheiten kurzweilig beschrieben, aber auf eine Art und Weise, dass auch nicht professionelle Heimköche die jeweilige Funktion der unterschiedlichsten Prozesse und Werkzeuge verstehen.
Es geht um die Hilfsmittel, auf die er mit seinem Team zurückgreift, angefangen von den sich täglich wiederholenden Prozessen bei der Vorbereitung, über verschiedenste Küchenmaschinen bis hin zur Verwendung von essentiellen Ölen. Er bespricht die Funktion und erklärt recht schlüssig, warum es bei ihm stark auf das jeweilige Gericht mit seinen Eigenarten der Hauptbestandteile ankommt, um zu bestimmen, wir dick- oder dünnflüssig das Kartoffelpüree zum Beispiel sein hat.
Ist man bei D. Patterson im Restaurant zu Gast, bekommt man nicht das vielerorts gewohnte “à la Carte”- Programm geboten. So kredenzt er stets “Degustationsmenüs”. Bei der Eröffnung war er der einzige Anbieter in San Francisco, welcher solche Verkostungsmenüs offeriert. Er begann mit einem, wie er selbst beschreibt, “weniger ambitionierten” 4- Gang Menü und heute bekocht er seine Kundschaft mit 11 bis 13 Gängen und das bei 30 Sitzplätzen mit einer täglich wechselnden Menüfolge.
Ein solches “Tasting Menu” stellt er komplett rezeptiert vor. Jeder Gang wird begleitet mit einer Begebenheit, die den Werdegang ein wenig beschreibt. Die dazu abgebildeten Fotos sind wieder einmal passend und stimmig. Gerade die Non- Foodaufnahmen geben dem Buch eine wunderbare Atmosphäre und lassen den Betrachter sehr leicht in die Gedankenwelt von D. Patterson sinken.
Außerdem wird nach der großen Verkostung noch Weiteres an interessanten Gängen aus den Jahren 2006 bis 2012 geboten. Seine Art zu Kochen ist dabei durchzogen von Elementen seiner unmittelbaren Umgebung. Klar strukturiert und gänzlich ohne Materialschlacht. Reduziert auf das Nötigste und meist mit maximal drei bis vier verschiedenen Elementen zeigt er eine nahezu beispiellose Kreativität im Umgang mit den bodenständigen Produkten und auch Luxusgütern. Alles absolut abwechslungsreich und ganz und gar nicht aufgesetzt. Authentisch.
So unkonventionell, wie er mit den Produkten umgeht, so ungewöhnlich ist auch ein wenig die Art, wie man als Leser an die Mengenangaben der einzelnen Rezepte gelangen soll. Diese sind nämlich nicht neben der Zubereitung der einzelnen Bestandteile, sondern gesammelt im hinteren Teil des Buches aufgelistet. Ich habe ich noch nicht dazu durchringen können, inwiefern ich das jetzt gut oder schlecht finde. Ein wenig zusätzliches “Hin- & Herblättern” ist aber beim Nachkochen in jedem Fall garantiert. Wer sich daran nicht stört, ist mit diesem Buch für viele weitere Experimente in der Küche gewappnet, es bildet eine sehr gute Basis die verschiedensten Dinge daraus auszuprobieren.
Die amerikanische Küche scheint sich wirklich mehr und mehr aus ihrem lange dahinsiechenden Image zu befreien und etabliert sich hier als eine sehr abwechslungsreiche und nicht zu unterschätzende Kochkultur.
Es drängt also wieder ein sehr starker internationaler Titel auf den deutschen Buchmarkt, der wohl dieses Jahr nur wenige dieser Großkaliber entgegen zu setzen hat.
Hinweis der Redaktion
Ein Teil der besprochenen Produkte wurden von Unternehmen zu Testzwecken zur Verfügung gestellt.