Sergiology ist kein normales Kochbuch mit Rezepten zum Nachkochen. Es ist eine Momentaufnahme. Sergio Herman versucht in dieser Publikation darzustellen, wie er das schuf, was er heute ist. Welche Gedankengänge er dabei durchschritt, wer ihn beeinflusst hat. Er gewährt Einblicke in sein Leben und unterstreicht diese noch durch einen sehr limitierten und auch nummerierten Bildband samt beigefügten Audiobegleiter. Man musste sich für diesen gesondert im Internet einschreiben und bekam eine Plakette mit eigener Nummer, welche aus dem gedruckten Buch ein individuelles Exemplar für den zukünftigen Besitzer darstellt. Dies geschah bereits diesen Sommer im Juni und sämtliche Sondereditionen waren recht schnell vergriffen. Für alle weiteren Interessenten gibt es jetzt die „normale“ Version. Es ist komplett in englischer Sprache geschrieben. Dem Exemplar wird für die deutsche und französische Leserschaft aber ein kleines Buch im Softcover mit den Übersetzungen beigelegt.
„Sergiology“
Sergio Herman
Gestaltung: Nej De Doncker
Minestrone Cookbooks
Boechout | Antwerp 2012
360 S., gebunden, 97,50 EUR
ISBN: 978-94-90028-38-1
Sergiology ist eine Offenbarung
Sergio Herman ist kein vergleichbarer Koch. Sein Restaurant „Oud Sluis“ in Niederlande ist sein Raum für das kulinarische Vorantreiben neuer Ideen und Impulse. Neben René Redzepi ist er in Europa der Einzige, mit dieser massiven Präsenz in den Medien. Er ist der erste Koch, welcher außerhalb Frankreichs mit der absoluten Höchstbewertung von 20 Punkten im Gault Millau und 3 Sterne im Guide Michelin ausgezeichnet wurde, das spricht für sich. Zuletzt hob eine Jury ihn auf den 21. Rang der besten Restaurants der Welt. Dieser Mensch muss es wirklich keinem mehr beweisen.
Mit Sergiology geht er wieder neue Wege und wird auch hier wieder mehr oder weniger gute Nachahmer finden.
Sergio Herman zeigt einmal mehr Größe
Er teilt sich mit, gibt viel von sich preis. Er erzählt von Entwicklung & Fortschritt, der stetigen Veränderung, welche ein enormes Anpassungsvermögen abverlangen. Ein Mensch der einräumt, immer die 100 % abzurufen, aber langsam merkt, dass der Körper auch mit zunehmendem Alter sein Tribut zollt. Auch die Familie, seine Frau und 4 Kinder, bekommen mehr und mehr den Platz, welche sie auch einfordern. Er beschreibt das System, welches auch ohne ihn funktionieren muss. Es darf sich nicht auf dem Teller bemerkbar machen, wenn er mal eine Woche nicht da ist oder er krank wird. Dafür nimmt er sich aus den praktischen Arbeiten heraus und widmet sich dem Schaffen und Entwickeln neuer Gänge und Kollektionen für die Saison. Während früher das Chaos die standardgemäße Grundlage für das plötzliche Entdecken neuer Speisen war, ist heute solch eine „Spontangeburt“ eigentlich nicht mehr denkbar. Er nimmt sich Ruhe und lässt die Gerichte langsam „reifen“ um ihr durch diese Herangehensweise mehr Balance, Originalität und Handschrift zu verleihen. Er geht auch nicht mehr den Weg, neu Schöpfungen zu erzwingen. Der Mensch, der häufig von anderen Menschen umgeben ist, findet zumeist aus der Ruhe heraus Inspiration für seine Teller.
Eingebungen, welche einzigartig in Ihrer Zusammensetzung und gerade eben auch ihrer Umsetzung sind. Davon kann sich der Leser nach der Einleitung selbst ein Bild machen, denn diese haben es in sich.
Ein Kochbuch mit künstlerischem Anspruch
Dabei pflegt er bei der Beschreibung der Gänge einen Stil, den die meisten Kritiker höchst bedenklich finden. Der Gast kann sich so doch auf nichts einstellen, und muss das Vertrauen in die Hände der Küchenbrigade legen.
„Cherry Lips“ sträubt sich dem gleich als erste Vorstellung. Doch er tut uns auch den Gefallen, wie bei fast allen hier aufgeführten Gerichten, den Ursprung der Namensfindung zu erklären. Das Dessert, welches für ihn nach dem Verzehr noch nicht das endgültige Verlangen gestillt hat, und somit eine Fortsetzung zu Hause nur Sinn der Sache sein kann.
Teilweise gesetzt, teilweise unkonventionell dargestellt fügen sich die Rezepturen den Gängen an. Immer kommen die Gerichte aber mit einer plausiblen Schilderung des Werdegangs der Schöpfung einher.
Beim „Meeresfrüchte“- Gang erklärt er sein Denkmuster beim Schreiben. Das Gericht ist bereits im Kopf recht konkret im Bereich des Visuellen und der Geschmackskombination. Das Fine Tuning findet dann beim ersten Kochen statt:“Man bereitet die Zutaten vor und legt alles bereit. Das Gericht nimmt langsam Form an. Dann legt man noch letzte Hand an; zum Beispiel muss noch etwas Frisches dazu, bestimmte Kräuter für den extra Bite. Das hat man im Gefühl“.
Dieses „Seafood – Het Zwin“ ist übrigens ein Dessert, bestehend aus Schokolade, Aloe Vera, Rauch und Puffreis. Das Auge kann einen schon in die Irre führen.
Zwischendurch werden Porträts verschiedener Persönlichkeiten seines unmittelbaren Umfelds vorgestellt. Die Porträtfotos sind einfach klasse und unterstreichen den Anspruch des Buches.
In Daniel Humms Buch gab es eine Übersicht der Küche und deren Mannschaftsbesetzung. Diesem Beispiel folgt Herman auch. Er nennt sein Reich irgendwie treffend „The Monster“ mit gut aufbereiteten Präsentation wer hier eigentlich wem zuarbeitet.
Das unbändige Verlangen mit den Ingredienzen auch optisch etwas darstellen zu wollen, führt zweifelsohne die schrillsten Erscheinungen zu Tage.
„Moon“ ist sowas. Die Magie des Mondes sollte dargestellt werden. Das gelingt ihm auch relativ plastisch. Er formt die Landschaft mit all ihren Kratern und Unebenheiten nach. Auch offenbart er uns seine Vorstellung, wie der Mond wohl schmecken mag, das sind bei seiner Variante Texturen von Jasmin, Rosenblätter, Mascarpone, Zitrone und Schokocrunch mit Veilchen. Eine schöne Vorstellung. Fragt sich nur, warum wir dann erst mal wieder zum Mars wollen.
Moon – Die Magie des Mondes
Die eigenwilligen Persönlichkeiten, die immer wieder das Buch durchdringen, sind maßgeblich am Erfolg beteiligt. Sie verkörpern Sergio Hermans Werdegang, sie hatten mit ihrem Einfluss die ausschlaggebenden Denkanstöße bei ihm ausgelöst, die Erfahrungen ausgetauscht und den Prozess vorangetrieben und somit ein Netzwerk geschaffen, welches immer und immer wieder hinterfragt und weiterentwickelt wird.
Teilhaber sind neben anderen Marco Pierre White, Heston Blumenthal, Mourad Mazouz, Pierre Gagnaire, Gilbert Costes, Sofie Lachaert und Sven Väth.
Fazit
Ein abschließendes Resümee lässt wirklich nur eine uneingeschränkte Empfehlung zu. Viele neue Kochideen und vor allen Dingen überaus unkonventionelle Herangehensweise bei der Darbietung der Speisen schaffen einen unverkennbaren Zugewinn.
Copyrights der Bilder: Sergio Herman, Stephan Vanfleteren, Tony Le Duc, Koen Bauters und SergiologyEin Teil der besprochenen Produkte wurden von Unternehmen zu Testzwecken zur Verfügung gestellt.
ich habs von gaaaaaanz tollen Leuten geschenkt bekommen!
froi froi froi!
Na da kann ich ja nur gratulieren!!!